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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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sie seit Jahren einsam für sich gedacht und gesprochen und heraus sei es, und es sei ihr gewesen, als ob etwas in ihrem Kopfe reiße, es habe gesurrt und geschnellt, wie wenn man einen Seidenfaden beim Nähen spannt, mit dem Finger tönen macht und dann reißt, und sie habe reden müssen, wie sie sich's tausendmal vorgesagt. »Ein Teufel,« das waren ihre Worte, »ein Teufel habe aus ihr gebellt.« Seb schöpfte aus dieser Mittheilung doch einigen Trost. Es gelang ihm mit Hülfe der Küferin, die Kinder in das Nachbarhaus zu bringen, das Mädchen war bald zutraulich gegen den Vater, der Knabe aber blieb trotzig und widerspenstig, er stand immer bei Seite mit niedergeschlagenen Blicken, und nur manchmal heftete er sein großes Auge auf den Vater. Welche unergründlichen Gedanken sprachen aus diesem Auge. Nicht von dem Vater, sondern nur von dem Küfer ließ sich der kleine Johannes die neuen schönen Kleider anziehen, die der Vater ihm und der Schwester mitgebracht hatte. Die Kleider waren zu eng und knapp. Seb hatte sich im Wachsthum seiner Kinder verrechnet. Er schien sich überhaupt verrechnet zu haben, denn kaum war Johannes schön geschmückt, als er, ohne ein Wort zu sagen, das Dorf hineinrannte; er kam aber alsbald wieder im vollen Athem, er hatte offenbar die neuen Kleider seinen Kameraden zeigen wollen und war doch wieder von einem Schamgefühl gejagt, unaufhaltsam hin und her durch das Dorf gerannt, als brennten die Kleider.
    Ein seltsamer Zwiespalt ging in dem wilden Knabenherzen vor. Das Mädchen, schon viel zu groß dafür, ließ sich doch von dem Vater auf dem Arme tragen, es war glückselig in seinem neuen Kleide und Seb trug das Kind unter Küssen rund um das Haus und stand lange bei den Tannen, die er ehemals seinen Wald genannt. Die Sonne schien so hell und warm, der Würzgeruch des frischgemähten Oehmdes erfüllte die Luft, die Welt wird mit jedem Morgen wieder neu; warum sollte das ein Menschenherz nicht auch können?
    Endlich hörte Seb, daß Zilge aufgestanden war, er ging mit den Kindern an der Hand in die Stube, der Knabe wand sich unwillig an seiner Rechten. Zilge saß am Fenster, blaß mit hohlen Wangen, sie blickte unbewegt gläsern darein.
    Sie schüttelte mehrmals nickend den Kopf, als Seb sie mit liebreichen Worten begrüßte und sie um Verzeihung bat, daß er sie am Abend so plötzlich überrascht; er habe gehofft, es damit gut zu machen. Sie ließ ihn ihre Hand fassen, die leblos und starr in der seinen lag, dann sagte sie, sich hin und her wendend:
    »Er sieht gut aus wie ein Bierbrauer.«
    Es war als spräche sie zu jemand Fremdem, und doch war Niemand außer Seb und den Kindern in der Stube.
    Jetzt erst schien sie die Kinder zu bemerken, sie rief sie zu sich und riß ihnen hastig die Kleider vom Leibe; das Mädchen weinte darob und sie sagte:
    »Er hat euch sieben Jahr hungrig und nackt gelassen; damit fangt man mich nicht. Gieb die Kleider wem du willst.«
    Seb bat sie, doch vor den Kindern gemäßigter zu sein, sie aber sagte:
    »Sie haben das Elend bisher mit angesehen, sie können's auch noch weiter.«
    Seb brachte die Kinder aus dem Hause, dann setzte er sich zu seiner Frau und erzählte ihr, wie ja Alles wieder gut sei und besser als je, er sei nach Kalifornien gereist, wo man Gold grabe, er habe sich aber damit nicht abgegeben, sondern auf seinem Handwerk gearbeitet und dabei großen Verdienst gehabt, er habe mehr als zehn Bauten ausgeführt und keine sei ihm mißlungen. Zum Beweise seines Wohlstandes legte er mehrere Goldrollen auf den Tisch und brach einige davon auf, daß der Inhalt wie neugierig auf den Tisch rollte. Zilge aber schüttelte den Kopf, und erst auf wiederholtes Bedrängen sagte sie: »Damit fängt man mich nicht, wenn du tausend Millionen bringst, kaufst du mir nicht ab, was da drin –« sie deutete auf ihr Herz, es würgte sie im Halse, sie konnte nicht weiter reden.
    Man hörte Besuche vor der Hausthüre, Seb raffte schnell das Gold wieder zusammen, und als viele Männer und Frauen eintraten, sagte Zilge lachend:
    »Wenn ein Hund an der Kette liegt, werfen die Buben mit Steinen nach ihm, sie wissen wohl, warum, wenn er aber los ist, hui!«
    Sie erklärte trotz vieler Fragen beharrlich nicht, was sie damit meinte, und die Leute schüttelten den Kopf ob ihres Irreredens; sie hatte aber wohl damit sagen wollen, daß man sie in ihrem Elend vielfach verhöhnt und verspottet habe, und allerdings waren unter den Angekommenen auch Menschen, die sich das hatten

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