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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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seines starren Wesens; vielleicht hatten aber auch die neuen Kleider doch eine Aenderung in ihm hervorgebracht.
    Als Zilge erwachte und die wieder geschmückten Kinder sah, bat Seb, ihnen doch die Kleider zu lassen. – Sie schwieg.
    Der Arzt kam und fand den Zustand Zilge's nur wenig beunruhigend; als Seelenkundiger empfahl er indeß noch Seb die äußerste Geduld und Nachgiebigkeit, da Zilge ohnedieß schon oft an Anfällen von Schwermuth gelitten habe.
    Als Seb die Aussagen der Küferin berichtete, lächelte der Arzt und sagte, Zilge sei zwar durch ihr Stubenleben und ein gewisses nachdenkliches Grübeln etwas feingeartet, aber doch nicht so subtil, daß nicht Alles noch zu Gutem sich wenden könne.
    Seb verließ keine Minute seine Frau, aber er durfte ihr nichts reichen, sie nahm nichts aus seiner Hand, und nur von der Küferin.
    Als die Nachmittagskirche ausläutete, sagte sie:
    »Jetzt versteigern sie unser Haus, geh doch auch dazu und kauf's, wenn du kannst.«
    Seb wollte erklären, daß das nun nicht mehr geschehe, und wäre es auch, er behielte es doch nicht mehr. In bitterem Tone sagte darauf Zilge:
    »Nicht einmal das will er mir thun!«
    Seb ging und kam bald wieder, indem er freudig rief:
    »Das Haus ist wieder dein und blank.«
    Zilge sah starr drein, als ob sie gar nichts gehört hätte.
    Mit Seb war auch der Bruder Landjäger gekommen. Er hatte von der Ankunft seines Schwagers gehört und hatte ihn beim ersten Ausgang getroffen; er, der sonst nicht Schimpfworte genug für den Seb gehabt, war jetzt stolz auf ihn, und sein bester Freund, zumal, da er ihm eine silberne Taschenuhr mitgebracht hatte. Er zog jetzt heftig gegen Zilge los, daß sie sich so ziere und sperre. Seb suchte seinen Reden Einhalt zu thun, aber mit jener Art von martialischem Gleichmuth, ja von Heiterkeit, die solche Leute gern bei einer Exekution zur Schau stellen, strich sich der Bruder Landjäger den Schnurrbart und sagte, auf umherstehende Süßigkeiten deutend:
    »Das ist nichts, der muß man's einmal aus dem Salz geben, dann ist sie geheilt; du bist viel zu zimpfer, Seb.«
    Dieser verbot mit Gemessenheit jedes weitere derartige Wort, aber der Bruder Landjäger kehrte sich nicht daran, und Seb wußte endlich keinen andern Ausweg, als daß er den Bruder Landjäger mit sich fort nach dem Wirthshause zog. Zilge verriegelte hinter ihnen die Hausthüre und öffnete sie nicht mehr.
     
Ein Leidensgang und stilles Dulden.
     
    Als Seb am andern Morgen die Hausthüre offen fand und nach seiner Frau umschaute, war diese verschwunden; sie hatte den Kindern noch die Morgensuppe zurecht gestellt, die mitgebrachten Sonntagskleider verschlossen und das Werktagsgewand hergerichtet und war dann davongegangen. Der kleine Johannes mußte fühlen, welch eine ahnungsschwere Unruhe den Vater bewegte, der im ganzen Hause nach ihr rief; er sagte, die Mutter sei auf ihre Handelschaft gegangen, sie habe ihr Säckchen mitgenommen. Nun mußte Seb im ganzen Dorf und auf allen Wegen nachfragen, welchen Weg seine Frau eingeschlagen. Er fürchtete das Gräßlichste. Endlich erfuhr er von den Oehmdenden an der Windenreuthe, daß seine Frau den Waldweg nach Weitingen eingeschlagen; sie habe sich noch herabgefallene Zwetschgen in der Wiese aufgelesen. Seb eilte durch den Wald, drunten rauschte der Neckar und sein Rauschen war ihm unheilverkündend; da sah er plötzlich Zilge auf einem Baumstumpfe sitzen, ein kleines Bündel lag neben ihr; sie aß ruhig Zwetschgen, und warf die Steine weit weg, sie bewegte sich nicht bei seinem Anblick und doch mußte sie ihn sehen. Als er vor ihr stand, starrte sie ihn an, und als er sie dringend bat, doch mit ihm umzukehren, sie brauche dieses elende Leben nicht mehr zu führen, stand sie rasch auf, nahm ihren zusammengerollten Sack und schritt davon. Seb ließ sie eine Strecke gehen und rief ihr nach, daß sie ihn auf ewig von sich vertreibe, daß er wieder in die weite Welt gehe, wenn sie nicht umkehre; sie antwortete nicht, aber kaum war sie aus seinen Augen verschwunden, als er ihr nachrannte, und da er sie sah, hinter ihr dareinschritt. Seb war doppelt unglücklich und voll Zorn, er hatte eine Drohung ausgesprochen und gleich darauf gezeigt, daß er sie nicht auszuführen vermöge. Endlich ging er wieder stumm an der Seite Zilge's, und sie sagte jetzt von selbst und ganz verständig:
    »Die Müllerin hat mir auf heute einen halben Zentner versprochen. Wenn ich's nicht hol', dann kommt ein Jud und schnappt mir's weg.«
    Seb

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