Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
sie einst von selbst seine Hand faßte, küßte er die ihre.
    Oftmals sah sie ihn lächelnd an, dann aber wendete sie rasch und wie erschreckt den Blick und unversehens wurde sie äußerst zänkisch und unwillig bei dem Geringsten, was er unterließ oder in seinem Schmerze linkisch that. Nie durfte Seb vor ihren Augen Geld zeigen, sie schrie dabei laut auf, wenn er diese Vorsicht vergaß, nie durfte er vor ihren Augen eines der Kinder liebkosen, sie sagte einmal ganz offen:
    »Wenn die Kinder nicht wären, wärst du nie mehr wiederkommen, mir hast du mein Leben abgewürgt; aber die Kinder sind mein, nicht dein, das wird sich zeigen, und du bist ganz irr, wenn du glaubst, du kannst mich sieben Jahr in's Elend werfen und mich dann wieder holen, weil dir's jetzt recht, weil dir's jetzt geschickt ist, ich bin auch mein Eigen.«
    Keine Einwendung, keine Betheuerung half, es schien, daß sie gar nicht darauf hörte.
    Wenn Seb sie manchmal durchdringlich ansah, konnte sie ausrufen:
    »Nicht wahr, ich bin alt und verhutzelt? Wie hast dir denn denkt, daß eine verlassene Frau aussieht nach sieben Jahr Elend? Ich brauch' dir auch gar nicht mehr zu gefallen, ich will gar nicht mehr.«
    Seb konnte ihr der Wahrheit gemäß betheuern, daß sie nur der Erholung und guter Tage bedürfe, um wieder frisch und munter zu sein; sie gab keine Antwort, sie sprach was sie auf dem Herzen hatte, und schien nichts erwidert haben zu wollen.
    Wenn Seb ihr erklärte, daß der Hausbau sein Unglück und sein Glück geworden sei, rief sie oft: »Ich bin an keinem von Beiden schuld und will auch kein Theil an keinem.«
    Seb führte seine beiden Kinder täglich zweimal an der Hand nach der Schule, und holte sie zweimal wieder ab. So schwer es ihm gelingen wollte, den kleinen Johannes dazu zu bringen, daß er die neue Welt nicht mehr Jammerika nannte, ebenso schwer ging es, sein verhetztes und verstocktes Wesen zu schmeidigen. Gerade weil der Knabe bemerkte, daß der Vater um seine Liebe warb, schien er um so verschlossener. Mit Geschenken war er noch weniger als Zilge zu gewinnen, denn ein Kind freut sich der Gabe und vergißt alsbald des Gebers. Der trotzköpfige und hinterhältige Knabe erschien als der leibhaftige großgezogene Haßgedanke Zilge's, und bald zeigte sich, daß er noch etwas Anderes war.
    Es war am Neujahrstag, da saß Seb bei Zilge und betheuerte ihr in innigen und festen Worten, wie er wisse, daß er kein Recht mehr auf sie habe, sie könne ihn verschmähen und verstoßen, sie sehe ja aber, daß er um sie werbe, wie um eine Fremde, er wünsche nur, daß er Etwas thun könne, um ihr seine Liebe zu beweisen; wenn es der Pfarrer thäte, er würde sich noch einmal und mit erneuter Glückseligkeit mit ihr trauen lassen. Da streckte Zilge zitternd die Hände aus, aber in demselben Augenblicke trat der kleine Johannes ein und Zilge schrie laut auf, rannte nach der Kammer und verschloß sie hinter sich.
    Hatte Zilge eine Scheu, eine vielleicht erwachende Liebe zu ihrem Manne vor dem Knaben zu zeigen, der so oft ganz Anderes von ihr gehört hatte?
     
Aus dem Stromesgrund.
     
    Die Zeit der Abreise rückte immer mehr heran und Zilge wollte sich für nichts entscheiden, und sie sollte es doch allein. Sie war voll Ingrimm, daß Seb nach wiederholten, vergeblichen Versuchen die natürlichen Folgerungen ihrer Worte aufnahm: sie hatte ihm so oft gesagt daß er jedes Anrecht auf sie verwirkt habe, er stellte nun jede Entscheidung ihr anheim und gelobte, ihr nicht mehr dreinzureden und sich in Jegliches zu fügen. Diese unbewegte richterliche Annahme ihrer Aussprüche empörte sie, und doch konnte sie sich zu nichts entschließen und bestimmen; bald wollte sie mitgehen, bald daheim bleiben, bald durch dieses Rache und Vergeltung üben an Allen im Dorf, die ihr je eine Unbill angethan, bald wollte sie durch die Auswanderung sie auf ewig vergessen und mit Verachtung strafen. Wenn Seb darauf drang, daß man aus dieser Schwebe heraus müsse, wenn er mäßig und bestimmt Alles darlegte, so war sie äußerst gereizt. Sie erkannte wohl, welch ein fester ruhiger Mann Seb geworden, und ein Bewußtsein der innern Verwahrlosung, in die sie während der sieben verlassenen Jahre gerathen war, dämmerte in ihr auf. Sie war die stolze Zilge, sollte jetzt Seb mehr sein als sie? »Ich will deine Gnad' und Barmherzigkeit nicht,« sagte sie einmal zu Seb, ohne zu erklären, woher sie zu diesem Gedanken gekommen war. Sie ließ gern Alles in der Schwebe hängen, sie

Weitere Kostenlose Bücher