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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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wußte nicht mehr, was er thun und denken sollte, nur das eine wußte er, er durfte seine Frau nicht mehr verlassen.
    Zilge ging in die Mühle und kam bald wieder heraus und setzte sich, den Sack auf dem Schooße, auf die Schwelle. Seb setzte sich neben sie. Die Müllerin kam aus dem Feld. Seb schlugen die Flammen aus dem Gesicht, als er hier Vorwürfe über seine Entweichung hören mußte, und es war wunderbar, wie klug und auf ihren Vortheil bedacht Zilge das Versprochene zu erwerben wußte. Seb stand dabei, er wußte nicht mehr wo er war. Zilge lud sich den schweren Sack auf den Rücken und ging damit davon; aber kaum war sie zwanzig Schritt gegangen, als Seb ihr den Sack abnahm und mit flammendem Antlitze rief:
    »Zilge, ich will dir Alles thun, was du willst, ich will mich vor den Leuten hinstellen und mich ausschimpfen lassen. Sag', soll ich den Sack den jähen Berg da 'nauftragen? Ich thu's gleich, wenn du's sagst. Nur sei gut, und sei wieder mein liebes, gutes Weib und komm' jetzt heim.«
    Zilge antwortete nicht, und als Seb sie bat, doch mit ihm im Wirthshaus einzukehren, sagte sie:
    »Ich hab' kein Geld.«
    »Aber ich hab'.«
    »Das geht mich nichts an.«
    Seb mußte nun dabei stehen wie Zilge von Haus zu Haus in bettelndem Ton um Lumpen bat; er biß sich die Lippen zwischen die Zähne, und die Last auf seinem Rücken ward übermäßig schwer.
    Endlich machte man sich auf den Heimweg, Zilge ging so rasch, daß Seb neben ihr kaum Schritt halten konnte.
    Am Neckar auf einem Felsenvorsprung stand sie plötzlich still und sagte:
    »Seb, komm' her, schau, da bin ich gestanden, mehr als Einmal, in Wind und Wetter und hab' mir den Tod geben wollen, und wären meine Kinder nicht, sie hätten mich da drunten am Mühlrechen aufgefischt. Seb, sei zum Letztenmal aufrichtig gegen mich. Sag' mir ehrlich: hast du am ersten Tag, gleich wie dir's gut gangen ist, wie du mir hättest was schicken, wie du mich hättest holen können, das gleich ausgeführt? Hast du keinen Tag versäumt? Sag's, sag's ehrlich.«
    »Das ist recht, daß du einmal ordentlich redest. Schau, so fortlaufen, oder was man hat, gleich aus der Hand geben, das kann man nicht. Ich hab' damit weiter Geld gemacht, und ich hab' mir denkt: hast du's so lange ausgehalten, geht's auch noch ein bisle weiter, und ich hab' wollen groß –«
    »So geh groß zum Teufel,« schrie Zilge, stieß heftig nach ihrem Mann, riß sich krampfhaft windend den Trauring von der Hand und rief dabei: »Aus ist's mit uns, los und ledig,« warf den Ring hinab in den Fluß und rannte davon; aber bald wendete sie querfeldein, denn sie sah einen Landjäger des Wegs daher kommen, der Landjäger sprang ihr über den Graben nach und sie sank vor ihm auf das Stoppelfeld.
    »Fang' mich, bind' mich, ich will nichts mehr von ihm, gar nichts, nie mehr, nie,« rief sie.
    Der Landjäger, der niemand Anders war, als der Bruder Zilges, stand wie verwirrt, und als jetzt Seb herbeikam, schrie Zilge gellend auf und wühlte ihr Antlitz in den Boden.
    So wäre also doch wahr, was man schon lange geahnt hatte? War Zilge irrsinnig?
    Ein leerer Wagen kam des Weges. Zilge ließ sich lautlos von den Männern auf denselben tragen, nur zuckte sie bei jeder Berührung Sebs elektrisch zusammen. Ein Theil der Lumpen wurde ihr als Kissen untergelegt, mit dem andern deckte man sie zu, denn es schüttelte sie ein Fieberfrost.
    Seb hatte schon im Spätherbst wieder in die neue Welt zurückkehren wollen, jetzt war er mit schwerem Leid in der Heimath gefangen; schrecklich war's, blieb er in derselben, aber noch schrecklicher, zog er in die Fremde mit der zwar nicht Irrsinnigen, aber im unbezwinglichen Widerwillen gegen ihn Befangenen.
    Seb hatte den Leuten nicht geglaubt, daß seine Frau irrsinnig sei, und man hatte ihm das auch bald wieder ausreden wollen; jetzt kam abermals Jedes darauf zurück, aber Seb wehrte ab. Es wäre viel leichter gewesen, die unbegreiflichen Launen Zilge's zu ertragen, wenn sie Krankheit und nicht eine Herzenshärtigkeit waren, aber Seb war ehrlich genug, sich keine unwahre Erleichterung zu verschaffen, und in dieser Aufrichtigkeit fand er wieder einen neuen Trost; mit Milde und unzerstörbarer Liebe konnte er eine Herzenshärtigkeit lösen, nicht aber einen Irrsinn. Er übte unsägliche Geduld an Zilge, er warb um jeden Blick, um jedes Wort, jede Handreichung mit einer nachhaltigen Geduld, daß ihn das ganze Dorf darob lobte.
    Er war glücklich, wenn er ihre Hand berühren durfte, und als

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