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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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war durch die sieben Jahre an eine solche Schwebe gewöhnt, allezeit einer Erwartung hingegeben, und wenn man sie jetzt zu einem Entschlusse drängen wollte, weinte sie unaufhörlich. Ueberhaupt weinte sie viel über ihr vergangenes Elend, und war dabei gar nicht zu beschwichtigen, und es verdroß sie sehr, daß Seb sie lehren wollte, das Vergangene als abgethan und todt zu betrachten, sie weinte dann nochmals über solche Rede.
    Der Arzt, der auf den Wunsch Seb's allwöchentlich einmal kam, aber auch von selbst, wenn ihn sein Weg in's Dorf führte, Seb besuchte und gern mit ihm über Amerika sprach, der Arzt war ein verständiger Mann und Sebs Tröster und Helfer. Er erklärte das viele Weinen Zilge's als eine Eigenthümlichkeit der Frauen, die oft mit heldenmütiger Kraft das Ungemach ertragen, sich aber von der Erinnerung an dasselbe niederwerfen lassen; sie bespiegeln sich im Mitleid mit sich selber, und kommen schwer darüber hinaus.
    »Da haben Sie in's Schwarze getroffen,« sagte einst Seb, als ihm der Arzt den ganzen Zustand Zilges daraus erklärte, daß sie eines Prozeßkrämers Tochter sei, sie habe mit ihrem Mann auch einen Prozeß und wolle ihn auf's Aeußerste hinausführen, und die Entscheidung sei ihr eigentlich nicht recht, auch wenn sie gewinne.
    Den Bruder Landjäger, der auf Anrathen Sebs gelinder mit seiner Schwester umgehen wollte, duldete sie gar nicht um sich, sie sagte so oft er kam: »Das ist mein eigen Haus,« und weiter war kein Wort aus ihr herauszubringen. Das ganze Dorf kam nach und nach und redete Zilge zu, doch ihren Starrsinn zu lassen. Sie ließ sich die mancherlei Triumphe nicht entgehen, die sie bei diesen Besuchen hatte; sie lächelte frohlockend, wenn Jedes sagte, wie gut und demüthig Seb gegen sie sei und entgalt es dabei Manchem in scharfen Worten, was er ihr vormals angethan. Zur Verwunderung Aller entschied sie sich aber endlich gegen den Pfarrer dahin, daß Seb allein in die weite Welt ziehen solle, sie bleibe im Dorfe und in ihrem eigenen Hause, es werde noch aushalten, so lange sie lebe.
    Seb redete von nun an kein Wort mehr über die Hauptsache, und sie sah ihn darob oft im verbissenen Zorn an. Wie ist es denn möglich, daß er sich drein fügt?
    Es handelte sich jetzt nur noch darum, bei wem die Kinder bleiben sollten. Seb machte Anspruch auf eines derselben, wie er dem Pfarrer sagte, auch als Unterpfand, daß Zilge vielleicht dadurch andern Sinnes werde und ihm nachkomme. Er überließ es ihr, welches der Kinder sie hergeben wolle, das Mädchen war ihm anhänglich aber der Knabe bedurfte seiner vielleicht mehr. Auch darüber konnte sich Zilge lange nicht entscheiden, sie weinte wieder viel und schalt innerlich über Seb, der sie gar nicht zu trösten suchte. Auf wiederholtes Bedrängen erklärte sie schließlich im Frühling dem Pfarrer, daß Seb den Knaben mitnehmen möge. Als Zilge aus dem Pfarrhause heimkam, umhalste sie ihren Johannes weinend und sagte ihm, daß er sie nun auf ewig verlasse und mit dem Vater in die weite Welt ziehe. Da riß sich der Knabe aus den Armen der Mutter los, rannte aus der Stube, so sehr ihm auch Seb rief, er rannte durch das Dorf und wendete sich auf den Zuruf des hinter ihm drein folgenden Vaters nicht um. Mit der Behendigkeit eines Rehes sprang er durch die Felder und hinab den Bergwald nach Weitingen, Seb hinter ihm drein, rufend und schreiend, bittend und scheltend. Johannes verlor im Rennen seine Mütze, er wendete sich nicht danach um, der Vater hob sie auf und sie in der Hand schwingend eilte er dem störrischen Kinde nach. Jetzt stand der Knabe an der Stelle, wo Zilge den Trauring in den Neckar geworfen; Seb rief nochmals dem Knaben zu, die Haare standen ihm zu Berge, da spritzte der Strom hoch auf, der Knabe war verschwunden. Seb rannte ihm nach, sprang in's Wasser, schrie laut um Hülfe, das Klappern der Mühle verschlang seinen Hülferuf. Am Mühlrechen erhaschte er das Haupt des Knaben und schrie an die Luft gekommen, mit letzter Kraft um Hülfe: da wurde die Mühle gestellt, die Mühlknappen kamen mit Stangen herbei und halfen Seb und dem Knaben aus dem reißenden Strom.
    Der Knabe hing leblos in den Armen des Vaters. Da drang ein gellender Schrei widerhallend durch das Thal, Zilge stand händeringend am Ufer. Die Müllerin eilte über den Steg zu ihr und hielt sie fest.
    Eine Viertelstunde entsetzlichen Jammers war in der Mühle. Man rieb den Knaben, der blau geworden, leblos da lag, und als er endlich viel Wasser ausspie,

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