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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Cyprian auf Kosten seines Kindes erster Ehe auswandere. Während Gottfried dies in der Stube las, war Traudle zu Bläsi in den Stall gekommen und brachte ihm den letzten Abschiedsgruß von Erdmuthe, sie war mit dem Vater nach dem Seehafen vorausgeeilt, die übrige Familie sollte erst nach der gesetzlichen Frist nachkommen. Traudle erzählte viel, wie schwer Erdmuthe der Abschied geworden sei, und doch wußte sie, die allzeit die Vertraute gewesen, nicht anzugeben, warum sich Erdmuthe doch noch zur Auswanderung bewegen lassen. Traudle war nun auch verlassen in der Welt, sie bat, bei Gottfried bleiben zu dürfen, aber dieser wollte nichts mehr von Jemand wissen, der ihn an Erdmuthe erinnerte. Traudle ging zu ihrer Tochter nach Lichtenhardt, sie hatte sich's nie gedacht, daß sie wieder nach dem Dorf zurückkehren müsse, das so arm und abgeschieden war, daß man sich überall scheute, sich als von dort gebürtig zu nennen. Draußen in der Bauernwelt, die man von Lichtenhardt aus bewundernd ansah, galt nun Traudle auch nichts mehr, seitdem Erdmuthe verschwunden war.
    Cyprian mußte seinen Plan schon lange vorbereitet haben. Auf Grund einer gerichtlich anerkannten Vollmacht Erdmuthe's hatte er die Hypotheken an einen Unterhändler verkauft, der nicht ohne namhafte Abzüge baares Geld dafür gegeben. Der Tag, an dem Gottfried die zweimal verschlossenen Hypotheken herausgab, war ein trauriger. Aber nicht nur um den Verlust des Geldes, sondern auch um das verlorne Schwesterkind mußte eine tiefe Wehmuth im Herzen Gottfrieds wohnen. Er legte zur Verwunderung Aller, die es bemerkten, Trauerflor um die Abgeschiedene an und sprach wochenlang von Erdmuthe nie anders als von einer Verstorbenen. Gottfried war ein Mann von zäher Selbständigkeit, der keinerlei fremden Einfluß kannte; man schalt ihn ob dieser seltsamen und selbst auferlegten Trauerzeichen, man warnte ihn, daß er damit Gott versuche, der um ihn zu strafen Ernst machen und ihm ein wirkliches Leid, einen Trauerfall zuschicken werde; er beharrte und ließ sich nur zu der Erklärung herbei: entweder sei ihm Eines todt oder lebendig, er wolle nichts davon, daß noch eines für ihn da sei, von dem er nichts wisse, Erdmuthe sei für ihn todt, ob sie auch noch in Amerika lebe, das gehe ihn nichts an, für ihn sei sie todt, und in seinem Hause durfte sie Keiner mehr anders nennen.
    Vielleicht wollte Gottfried mit diesem eigenartigen Starrsinn doch noch etwas Anderes.
    Nach einigen Wochen legte er den Trauerflor ab, aber eine gedrückte Stimmung im Hause blieb und wollte nicht schwinden. Rosel, die das Haus erheitert hatte, war nicht mehr da und Bläsi wurde von Tag zu Tag stiller und in sich gekehrter. Er hatte um Erdmuthe kein äußeres Trauerzeichen angethan und keines abgelegt, ja er vor Allen war dem Vater über Beides am meisten gram, denn er ahnte, daß diese gewaltsame That ihm besonders galt.
    Gottfried hatte seinem Sohn allmählig das ganze Bauernwesen in die Hand geben wollen, aber Bläsi fragte ihn jetzt um jedes Vorhaben und wußte sich nicht zu rathen und zu helfen. Er war im eigenen elterlichen Hause wie ein Knecht, der erst an diesem Tag in Dienst getreten war. Sonst hatte Bläsi die meisten Amtsschreibereien für den Vater gemacht und dieser war zufrieden mit der runden Fassung des Sohnes; jetzt mußte der Vater ihm jedes Wort in die Feder diktiren, und dabei schrieb er oft noch Verkehrtes. Die Eltern sprachen über das veränderte Wesen ihres Sohnes, der es nicht in Abrede stellte, als man ihm laut vorwarf, daß er bei Erdmuthe am Wegweiser gesessen und sie geküßt habe. Der Vater drohte ihm das Härteste, wenn er nur noch mit einem Gedanken an Erdmuthe denke, ja, er steigerte seinen Haß gegen »die Verstorbene« zu den höchsten Verwünschungen und jetzt zeigte sich, daß er mehr um Bläsi's willen Trauer um Erdmuthe angelegt hatte. Er ging sogar noch weiter und zündete am Tage Allerseelen zwei Lichter auf dem Grabe seiner Schwester an. Endlich fand er das beste Mittel, jeden Funken in Bläsi zu tödten, er faßte einen festen Entschluß und Bläsi mußte gehorchen; er verlobte ihn mit der schmucken Tochter des Kirchengutsverwalters, des sogenannten Heiligenpflegers von Seebronn. Bläsi hatte ehedem eine Neigung zu dem Mädchen gezeigt, das aber für Gottfried weit unter seinen Anforderungen stand; jetzt drang er selbst auf die Verlobung und Alles sagte, der Gottfried habe seine alte Art ganz verändert und das Lob, das er jetzt hören mußte, war weit

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