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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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oder ob es aus ihm selbst herrühre? Wie er denn überhaupt bisweilen die Empfindung hatte, als bestehe er aus zwei verschiedenen Menschen, wovon der Eine für den Andern nicht verantwortlich, sondern nur veranlaßt wäre, ihn aufmerksam zu betrachten, um psychologische Studien an ihm zu machen. Diese Täuschung war besonders mächtig geworden während seines langen Besuches in Thalwiese, wo der Mörder sich in den Hintergrund zog, dem antheilsvollen Freunde, dem gebildeten Manne von Welt freien Spielraum zu gönnen. Erst in Schwarzwaldau trat Jener wieder hervor, sein theuer bezahltes Unrecht geltend zu machen; und da wurde Dieser alsobald sehr kleinlaut. Die Furcht, die gemeine Furcht des Verbrechers, der Verdacht und Entdeckung wittert, hatte sich allerdings vor Carolinens rückhaltsloser Herzlichkeit unbegründet erwiesen und war verschwunden; doch nur um einem unklaren Drange Raum zu machen, der genau untersucht in nichts Anderem bestand, als in dem Bedürfniß: nicht mehr von ihr zu weichen; sie stets zu umgeben; fortdauernd sich bei ihr in günstiger Meinung zu erhalten; ja, wo möglich durch ausschließlichen Umgang sich ihrer Gedanken zu bemächtigen, damit keiner in ihr aufsteige, der, weiter durchgedacht, zur Wahrheit führen könne.
    Es gab nichts, was Emil abhalten mochte, diesem unwiderstehlichen Drange zu genügen: In Thalwiese war er gern gesehen. Caroline sprach gern von Gustav, hörte noch lieber von ihm sprechen und Emil fand wohlthätige Beruhigung darin, nur von dem todten Freunde zu reden; zu schildern, wie theuer seinem Herzen der Selige gewesen; dessen Fehler zu entschuldigen, dessen Vorzüge zu preisen. Dabei log er nicht. Er empfand, was er sagte. denn er liebte Gustav jetzt, nachdem dieser seinen Verrath im Tode gebüßt, eben so innig, als er ihn in der blühendsten Zeit ihrer jungen Freundschaft geliebt hatte.
    Anders stand es um Carolinen. Für sie war Gustav wirklich todt. Sie verschwieg sich's nicht: ihr hatte nur der Lebendige gelebt. Was ihre Sinne an ihn gefesselt, was ihr seinen Besitz zum höchsten Ziele zweijähriger schmachtender Sehnsucht gemacht; es moderte mit dem verstümmelten Leibe im Grabe. Ihre Liebe war mit dem Geliebten gestorben, sein Bild mit ihm eingesargt. Was ihr übrig blieb, lief zuletzt auf ein stilles Bekenntniß hinaus: er ist schön gewesen, unwiderstehlich, – sonst nichts!
    Ihr Freund , das fühlte sie, wär' er niemals geworden; hätte er niemals werden können. Er war zu unbedeutend. Nur die Freundschaft ist es, welche die Liebe überlebt.
    Aber Emil wurde ihr Freund. Sie gewann Achtung vor seinen geistigen Vorzügen, die sich auf dem dunklen Grunde seiner ernst-düstern Stimmung immer strahlender entwickelten. Für ihn vereinigten sich in ihrer Person und um diese, all' seine widerstreitenden Erinnerungen an Agnes und Gustav. Er glaubte sich zu entsühnen im dauernden Verkehre mit ihr. Er wurde in Thalwiese unentbehrlich. Dem alten Reichenborn gab er gute Rathschläge, sowohl über die Verwaltung der Wirthschaft, als über die erfolgreichsten Einleitungen zur Förderung seines Wunsches: den Namen ›von Thalwiese‹ tragen zu dürfen; der Mutter zeigte er unbedingte Verehrung und gewann sie durch Anhänglichkeit an ihr winterliches Stillleben; Gustav's Mutter sah in ihm ohnehin den Vater und Bruder (beides zugleich) ihres unglücklichen Sohnes; Caroline fand in ihm, was sie am Bräutigam auch in Stunden feurigster Gluth vermißt zu haben sich eingestehen mußte: Nahrung für Geist und Seele, die nur der Mann von höherer Bildung dem bildsamen Weibe spendet. Mit dieser Achtung aber, die sie ihm gern zollte, verbanden sich auch wiedererwachende Regungen ganz anderer Art. Sie trug, was sie für Gustav empfunden, bewußtlos auf den reiferen Mann über, der seinen Cultus für des jungen Freundes natürliche Anmuth mit Pietät fortsetzte. Emil von Schwarzwaldau gewährte ihr, was Gustav von Thalwiese nicht geben konnte und verhieß zugleich, was ihr in diesem begraben war: die Aussicht auf Ehestand. Denn daß er daran denke, Reichenborn's Tochter seine Hand, ihr mit dieser Stand und Namen darzubieten, daran zweifelte bald niemand mehr in Thalwiese; sie am Wenigsten.
    »Des Ermordeten hinterlassene Braut, meine Gattin. – Diese Verbindung stellt mich sicher vor der letzten Möglichkeit zufälligen Argwohnes!« Das sagte er sich bei jeder Heimfahrt aus Thalwiese.
    »Und Reichenborn's Vermögen! Caroline das einzige Kind, unbeschränkte Erbin! Schwarzwaldau

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