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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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der nach Trennung schmachtenden Gefährten gingen in Erfüllung:
    Bei stürmischer Herbstnacht begleitete Herr von Schwarzwaldau den zur See gehenden Franz nach dem Hafen, wo sich ein für die weite Fahrt fertiges Schiff an schweren Ankerketten knirschend wiegte und bäumte. Der Abschied war kurz. Franz trug bei sich, was er bedurfte, um seiner Meinung nach, das neue Leben glücklich zu beginnen. Reue empfand er nicht. Wehmuth noch weniger. Von beiden war Emil durchdrungen. Die Reue wühlte in der schwachen Brust und Wehmuth stieg ihm auf, bei dem Gedanken, daß mit diesem letzten, wenn auch gefürchteten, ja gehaßten Genossen, doch auch der letzte Mensch von ihm scheide, dem er (sei es immer durch verbrecherische Gemeinschaft) nahe gestanden.
    »Ich habe ihn doch auch einmal lieb gehabt,« – seufzte der Unglückliche, vom Hafen in's Gasthaus zurückkehrend; – »ich habe ihn doch einmal lieb gehabt, da er mir den Dolch aus der Hand gerissen und mir Tages darauf seine Schicksale vertraute! Ach, das waren gute Zeiten! –«
    Und dann bedeckte Emil sein Gesicht mit beiden Händen und weinte: »wohin ist es mit mir gekommen, daß ich jene Zeiten die guten nenne! – Aber sei's wie es wolle: ihn bin ich los! Für immer! Und ein gemeiner Mörder bin ich nicht.«

Achtundzwanzigstes Capitel.
    So lange Franz mit kalten, giftigen Worten Haß und Wuth gegen den grausam Hingeschlachteten stündlich nachgeschürt und durch eigenes Beispiel der Verhärtung auch Emil's Neigung zu schwermüthiger Reue immer wieder weg raisonnirt, oder weggehöhnt, – so lange hatte dieser vermocht, sich zu fassen. Jetzt, ohne Halt, und ohne Besorgniß vor Spott, brach diese mühsam behauptete Fassung plötzlich zusammen, in solch' heftiger Weise, daß der von Gewissensbissen und Mörderangst Gefolterte, sich gar nicht mehr vor den Gästen am Mittagstische zu zeigen wagte. Er ließ sich ihnen durch den Wirth zu freundlichem Andenken empfehlen, der sich des Auftrages mit der Bemerkung erledigte: niemals habe er irgend einen Mann von einen Abschiede so furchtbar angegriffen gesehen, als diesen; wahrscheinlich sei Herr Sara ein natürlicher Bruder des Gutsbesitzers, den über See zu schicken, traurige Familienverhältnisse gefordert hätten; und solche Liebe sei fürwahr rührend, weil sie so innig bei wirklichen legitimen Geschwistern selten zu finden.
    Emil's Fahrt von Hamburg bis Schwarzwaldau bot keine Abwechslung, wurde durch kein äußerliches Ereigniß belebt, oder gestört. Dafür machte er, zum Erstenmale einsam in der Kutsche sitzend, – (wir brauchen wohl nicht erst zu bemerken, daß dieß längst nicht mehr derselbe Reisewagen gewesen, mit welchem er beim Neulander Wirthshause vorgefahren,) – alle seiner furchtbaren Lage, wie seiner schwankenden Natur entsprechenden Widersprüche, Gegensätze, Uebergänge vielfach gemartert durch. Dabei aber durfte der zu selbstbetrachtenden Grübeleien so sehr geneigte Denker sich's nicht verhehlen, – und er gestand es sich, wenn auch zagend, ein, – daß er noch nie in seinem Leben so peinvoll am Leben gehangen, daß er den Tod, den er in besseren Stunden oft herbeigewünscht, niemals mehr gefürchtet habe, als eben jetzt, wo er mehr wie je Ursache fand, das Dasein zu verfluchen.
    Die stehende Formel zur Lösung all' dieser unergründlichen Fragen blieb immer der Ausruf: » ihn bin ich los, und ein gemeiner Mörder bin ich nicht!« Wenn er dieß ausgesprochen, wähnte er sich stets wundersam gestärkt und diese Stärkung hielt stundenlang vor. Sie machte ihn sogar fähig, mit den Postillons bisweilen zu plaudern und zu scherzen.
    Doch sie verlor ihre Wirkung, da er, – als nur die unvermeidlichen ersten Gespräche mit seinen Dienern in Schwarzwaldau beseitiget waren, – an Agnesens Grabe stand. Als er, voll jenes kindischen Wahnglaubens, mit den Todten spreche man am Vernehmlichsten dort wo ihre Hülle modert, ihr Bericht abstattete von den Unthaten, die für sie, für ihre beleidigte Ehre geschehen sein sollten. Hanns der Storch stand klappernd neben ihm; die vom Herbstwind schon entblätterten Thränenweiden säuselten traurig; vergebens beschwor er Agnesens Bild; nur Gustav's verstümmelte Leiche stieg aus dem naßkalten Boden vor ihm auf, als ob sie neben dem schönen Weibe eingescharrt wäre. Sie geleitete ihn, ein nicht zu verscheuchendes Gespenst, bis in die Räume, wo sie so oft zu Dreien gesessen. Die Saiten des verstimmten Klaviers rauschten kläglich, als wollten sie ein

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