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Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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ran.
    »Mäuschen!«
    »Wenn du mich noch ein einziges Mal so nennst, lasse ich dich verhaften«, sage ich.
    »Ich mach mir vor Angst in die Hosen, Frau Staatsanwältin«, sagt er. »Wie geht’s meinem Mädchen heute?«
    »Hab schlecht geschlafen«, sage ich.
    »Du hättest gerne rüberkommen können«, sagt er.
    Ich weiß. Irgendwie war mir nicht danach.
    »Sehen wir uns heute Abend?«, frage ich.
    »Wenn du Bock hast, auf meiner kleinen Baustelle in der Blauen Nacht rumzusitzen«, sagt er. »Ich komm da die nächsten Abende nicht raus.«
    »Muss ich mal kucken«, sage ich.
    »Du musst vor allem mal in die Rote Flora kucken«, sagt er.
    »Wie kommst du denn darauf?«
    Wissen eigentlich alle in dieser Stadt, in welcher Richtung wir so am Ermitteln sind?
    »Mich hat ein Mädel angerufen«, sagt er, »die kenn ich noch von früher, und die weiß, dass wir uns kennen. Sie will dich sprechen.«
    »Aha.«
    Ach so.
    »Und zwar nur dich. Wenn du mit deinen Kripo-Jungs kommst, sagt sie nichts. Aber wenn du dich alleine mit ihr triffst, hätte sie eine Info für euch.«
    »Was glaubst du?«, frage ich.
    »Hingehen«, sagt Klatsche. »Ist eine nette Frau, echt.«
    »Okay. Hat sie gesagt, wo und wann sie mich treffen will?«
    »In zwei Stunden im Schanzenviertel. Auf dem Spielplatz hinter der Flora. Sie sagt, sie wüsste, wer du bist. Sie wird dich ansprechen.«
    Ich lehne mich auf meinem Schreibtischstuhl zurück, schaue durch mein Bürofenster in der Staatsanwaltschaft auf die blätterlosen Bäume im Park. Unten auf der Straße donnern die Autos vorbei. Mir ist für einen kurzen Moment, als könnte ich jedes einzelne Auto hören. Alte Autos, neue Autos, schnelle Autos, langsame Autos, kleine Autos, große Autos, aufgemotzte Schleudern, Familienkutschen – und hier und da ein kaputter Auspuff.
    Ich stehe auf und gehe mir einen Kaffee holen. Aber die Automelodie setzt sich irgendwie in meinem Kopf fest und lässt mich nicht mehr los.
    *
    Direkt neben der Roten Flora steht ein Haus, und dieses Haus steht leer. Es ist ein schönes Haus. Altbau mit Stuck in den Wohnungen und Stuck an der Fassade. Sogar ein Türmchen hat das Haus. Ist schon eine Weile her, dass das Haus renoviert worden ist. Seitdem sind die Wohnungen nicht wieder vermietet worden. Der Vermieter wartet angeblich, bis die sowieso schon pervers hohen Mieten im Schanzenviertel noch mehr steigen. Neulich ist es ein paar von den Leuten, die hier und in den anderen Innenstadtvierteln nach bezahlbaren Wohnungen suchen, zu blöd geworden. Sie haben das Haus besetzt. Alle fanden das richtig. Trotzdem kam nach kurzer Zeit die Polizei und hat das Haus geräumt. Ich kann nur sagen: Ich hätte das nicht angeordnet.
    Und jedes Mal, wenn ich an diesem leeren Haus vorbeikomme, werde ich wütend auf alle, die da irgendwie dahinterstecken. So was ist doch eine Schande für eine Stadt.
    *
    Ein Spielplatz also. Nicht unbedingt der Ort, an dem ich mich souverän fühle. Da würde mir ein dunkles Loch im Keller der Flora noch eher entsprechen. Kinder machen mich nervös. Sie sind sprunghaft und gefühlvoll, sie trinken und rauchen nicht. Sie sind mein Gegenentwurf. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wie es war, ein Kind zu sein. In meinem Gehirn ist alles geschwärzt, was in meiner Kindheit liegt. Ich weiß das so gut, weil ich es selbst gemacht habe.
    Ich setze mich auf eine verwitterte Holzbank am Rand der Sandkiste. Der Himmel droht heute schon den ganzen Tag mit, ich würde mal sagen: Eisregen. Es sind nur wenige Kinder da. Zwei Jungs kloppen sich um die Rutsche. Ein Mädchen liegt im Sand auf dem Rücken. Sie fährt mit ihren gestreckten Armen im Sand auf und ab, dann steht sie auf, betrachtet das Ergebnis und freut sich. Sie hat einen Engel in die Sandkiste geschubbert. Ein vielleicht zwei Jahre altes Kind ist in einer der Babyschaukeln eingeschlafen. Seine Mutter kommt auf mich zu. Sie ist klein und schlank und trägt eine enge Jeans, aber unter ihrem schwarzen Totenkopf-Pulli wogt ein beachtlicher Busen. Ihre kinnlangen Haare sind braun und flusig. Nicht direkt eine Rastageschichte, aber mit der Bürste hat sie’s, glaub ich, nicht so. Sie hat ein hübsches, katzenhaftes Gesicht und eine olivfarbene Haut. Unterlippe und linke Augenbraue sind gepierct. Ihre Füße stecken in für dieses Mistwetter viel zu dünnen roten Turnschuhen.
    Sie setzt sich neben mich auf die Bank, fummelt eine Packung Tabak aus ihrer hinteren Hosentasche und

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