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Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Steintreppe stehen ein paar alte Farbeimer und Rocco Malutki. Er hat eine Gasmaske auf, einen Blaumann an und etwas in der Hand, das eine Schleifmaschine sein könnte. Aber auch ein Mordinstrument. Oder ein perverses Sexspielzeug.
    »Was hast du vor?«, frage ich.
    Er röchelt wie Darth Vader, schmeißt die Maschine an und hält sie in die Luft, als wäre sie ein Laserschwert.
    »Möge die Macht mit dir sein«, sage ich und versuche, mich an ihm vorbeizuschieben.
    Er geht die Treppen runter und knöpft sich den ersten Tisch vor. Sofort wirbelt der Holzstaub. Es ist eine Schleifmaschine. Ich muss husten und gehe lieber schnell rein. Drinnen wirbelt der Hausstaub. Klatsche ist dabei, aus der kleinen Kammer, in der Ali damals Heiner Matzen versteckt hat, alles rauszureißen. Regale, Tapeten, kaputte Polizeiuniformen, uralte Geschichten und Gerüche. Das Zeug fliegt Stück für Stück durch den Raum. Ich sehe immer nur Klatsches rechten Arm, der ein Teil nach dem anderen hinter sich feuert. Und jedes Mal, wenn so ein Teil auf dem Boden landet, steigt von da eine Wolke aus Putz und Staub auf.
    Klatsche kriegt nicht mit, dass ich hinter ihm im Raum stehe. Joe Strummer singt zu laut. Ich gehe zu der kleinen, völlig verdreckten Kompaktanlage, die auf dem zugemüllten Tresen steht, und drehe die Musik leiser.
    »Rocco, du Pappnase! Was soll der Scheiß? Ich will The Clash hören …!«
    Klatsche windet sich aus der Kammer.
    »Ach, du bist’s.«
    Er hat weiße Farbe im Gesicht. Keine Ahnung, wo die herkommt. Wenn ich das richtig sehe, wurde hier noch nichts gestrichen.
    »Ich wollte nur mal sehen, wie ihr vorankommt«, sage ich.
    Er legt mir den Arm um die Taille und küsst mich. Er schmeckt nach Kiez. Nach Bier und Dreck und Hafenluft.
    »Ich weiß nicht«, sage ich und wische mir den Mund ab.
    Klatsche lacht und küsst mich noch mal.
    »Hör auf«, sage ich, »du schmeckst nach Kiez.«
    »Verdammte Scheiße, ja«, sagt er und dreht die Musik wieder auf. Rock the Kasbah. Dann schreit er mich an, dass ich mir ein Bier nehmen und mitmachen soll.
    »Wo ist das Bier?!?«, schreie ich.
    »Hinterm Tresen!«
    Ich ziehe meinen Mantel aus, schiebe meine Ärmel hoch und ziehe mir aus der verstaubten Kiste Astra hinter der Theke eine Flasche. Klatsche verschwindet wieder in seinem Kabuff und schmeißt weiter altes Zeug nach draußen. Ich schnappe mir einen Besen und fange an, alles zusammenzufegen und in den kleinen Container vor der Tür zu werfen. Neben dem Container steht Rocco an den alten Holzmöbeln und schleift sich die Seele aus dem Leib, im Glanz der Neonlichter auf dem Hans-Albers-Platz. Ich wieder rein, fegen, wieder raus, wegwerfen. Geht gut.
    Das mache ich vielleicht eine Stunde lang, ich weiß es nicht genau. Ich vergesse die Zeit. Ich vergesse mich. Meinen Rahmen, meinen Kopf, meinen Beruf, alles, was mich zusammendrückt. Am Ende hab ich sogar mich beiseitegefegt, zumindest das, was ich so als Ich vor mir hertrage. Da ist nur noch eine Frau mittleren Alters mit einem Besen in der Hand, und die Frau schwitzt. Die Frau ist zufrieden.
    Ich sollte bei einer Entrümpelungsfirma anheuern.
    Joe Strummer singt immer noch, Klatsche hat offensichtlich auf repeat gestellt. Ich setze mich auf den nicht sehr sauberen, aber auch nicht mehr so wahnsinnig schmutzigen Fußboden und zünde mir eine Zigarette an.
    Klatsche kommt aus der Kammer.
    »Kammer ist leer«, sagt er und setzt sich neben mich. »Kann ich bitte eine Zigarette haben?«
    Ich zünde ihm eine an und stecke sie ihm in den Mund.
    »Du machst alles richtig«, sage ich. »Tut mir leid, dass ich immer so schwer zu begeistern bin.«
    Er grinst nur und raucht und legt mir die Hand aufs Knie.
    So sitzen wir eine Weile, eine Zigarettenlänge lang. Dann drücke ich meine Kippe aus, gebe ihm einen Kuss auf die schmuddelige Wange und stehe auf.
    »Bis später«, sagt er.
    »Bis später«, sage ich, »ich lass dir ein Licht an.«
    So machen wir das schon lange. Wenn der andere noch vorbeikommen darf, bleibt ein Licht an, das man von der Straße aus sehen kann.
    Ich nehme meinen Mantel, gehe nach draußen und ziehe die kühle Luft ein. Klatsche bleibt sitzen, ich spüre seinen Blick in meinem Nacken, und das fühlt sich sehr verbindlich an.
    Rocco Malutki hat sich mit seiner Maschine inzwischen bis zur Stirnseite des Platzes vorgearbeitet. Der Himmel hat aus unerfindlichen Gründen in der letzten halben Stunde aufgeklart und den Mond freigegeben. In seinem kalten Licht sieht es

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