Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
blieb der Hauptkommissar stehen.
»Wie, was?«
»Wiederholen Sie noch einmal den letzten Satz.«
»Wie früher im Chemieunterricht –«
»Nein«, winkte er ab. »Den davor.«
»Herunterkühlen des Körpers und Eintauchen in flüssigen Stickstoff?«
Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. »Verflucht.«
Stefan Franz. Die Gasfabrik.
Irgendwo bei Ihrem Morddorf.
Diebstahl von flüssigem Stickstoff. Gulasch im Gewächshaus. Ungewöhnlich zerstückelt.
»Kommen Sie, wir müssen sofort zurück«, sagte er und zog im Gehen sein Handy aus der Tasche.
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31
M it flüssigem Stickstoff?«, fragte Lukas Felber.
»Schockgefrieren und dann zerkleinern, ja.« Ehrlinspiel drehte sich nach Hanna um und reichte ihr seine freie Hand, als der Weg sie über große Steinbrocken abwärtsführte.
»Hm. Die Möglichkeit besteht wohl. Aber woher sollte Bruno Sommer oder wer auch immer das Zeug haben?«
»Das kann dir Stefan Franz erklären.«
»Ach, weißt du, der subjektive Ermittlungsbefund ist dein Part.« Lukas klang ironisch.
»Und das Zerkleinern, wie könnte das vor sich gegangen sein?«
»Messer, kleine Axt, Aufprall auf hartem Boden, da gibt es zig Möglichkeiten, wenn der Körper schockgefroren ist. Wenn du draufschlägst oder ihn auf harten Grund fallen lässt, zerspringt er. Größere Teile lassen sich ganz einfach weiterzerstückeln.«
»Gulaschgroß?«
Zwischen den Bäumen blitzten der Waldrand und die dahinterliegenden Wiesen hervor.
»Genau. Und jetzt habe ich noch etwas für dich. Ganz frisch erhalten. Die DNA -Ergebnisse von ebendiesen Fleischstücken.«
»Doch schon heute? Rück raus damit!«
»Die Eltern sind eindeutig Elisabeth und Alexander Kühn. Wie du vermutet hast.«
»Elisabeths Ungeborenes. Brunos Nichte. Unter Orchideen.«
»Und noch was: das Blut aus dem Keller. Die Tiefkühltruhe. Ganz klar dasselbe Kind.«
Ehrlinspiel schielte nach Hanna. »Danke, Lukas.«
»Die Analyse hat Reinhard gemacht. Es war anscheinend nicht ohne, ein vollständiges Profil aus den Resten zu extrahieren. Aber du kennst ihn ja.«
Tu ich das?, dachte Ehrlinspiel und sagte: »Hör mal, könntest du mir rasch eine Adresse raussuchen und mich dann zurückrufen?«
Stefan Franz hatte siegessicher mit einem Zettel herumgewedelt gestern, den aber wieder mitgenommen im Zuge seines nicht ganz freiwilligen Abgangs.
»Klar. Welche?«
Ehrlinspiel sagte es ihm.
»Ich hab dich auch lieb, Kollege«, erwiderte Lukas Felber, doch er klang eher resigniert denn ironisch.
Um kurz nach vier ließ Ehrlinspiel die Scheibe hinunterfahren und hielt dem Mann in dem verglasten Häuschen seine Dienstmarke hin. Riesige Gastanks und Paletten voller Gasflaschen lagen in der einsetzenden Dämmerung. »Herr Meierfeld erwartet mich.«
Das Tor schob sich polternd auf. Wenig später saß er einem leicht übergewichtigen Mann Mitte vierzig mit strengem Gesichtsausdruck gegenüber. Im Neonlicht der Deckenlampe glänzte seine Haut fleckig. Das Haar war zu einer Bürstenfrisur getrimmt, der Anzug sah teuer aus, und er strich sich unentwegt über die Krawatte in den Farben des Firmenlogos.
»Erzählen Sie mir von dem Diebstahl«, begann Ehrlinspiel.
Meierfeld legte die Hände auf seinen riesigen Schreibtisch. »Freitag auf Samstag hat jemand Stickstoff gestohlen. Aus einem der Außentanks.«
»Haben Sie keine Alarmanlage?«
Der Firmenchef rieb sich die Nase. »Doch, in den Hallen mit den Giftgasen. Sie reagiert allerdings nur auf Lecks. Draußen … da kann jeder über den Zaun klettern.«
Ehrlinspiel schlug die Beine übereinander und legte das Notizbuch auf einen Schenkel. »Kameras?«
»Schon. Aber zahlen Sie mal das Personal, das die ganze Nacht vor den Überwachungsmonitoren sitzt. Zumal am Wochenende.«
»Kann ich die Bänder sehen?« Er notierte die Informationen.
»Wir zeichnen nichts auf.«
Ehrlinspiel sah auf. »Wollen Sie mir sagen, dass hier jeder reinspazieren und sich an den Tanks bedienen kann?«
»Wenn er dem Nachtwächter nicht in die Arme läuft, ja.« Meierfeld stand auf. »Der dreht in unregelmäßigen Abständen seine Runden. Ab zweiundzwanzig Uhr. Bis dahin sind noch Arbeiter auf dem Gelände.«
Ehrlinspiel rekapitulierte rasch die letzten Tage. Freitagnacht. Da war er gegen halb zehn zum Sommerhof gelaufen. Es hatte geregnet. Bruno war mit dem Mofa an ihm vorbeigespritzt. Hintendrauf eine Kiste.
Er ist Wissenschaftler.
An diesem Abend hatte Frieda Sommer das gesagt. Genau, während ihr Sohn offenbar hier
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