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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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war, erzählte sie auch begeistert von der Natur fremder Länder. Dummerweise versank sie dabei auch regelmäßig in fürchterlichem Liebeskummer. Bald würde sie aus Aix-en-Provence zurück sein und ihrem englischen Aussteiger nachtrauern. Was sollte er ihr dann raten? Was wusste er, Moritz, schon über die Liebe? Über Beziehungen? Die Seele der Frauen?
    Er sah aus den Augenwinkeln zu Hanna. Er hatte keine Ahnung von Frauenseelen. Brock hatte das exakt auf den Punkt gebracht.
    »Wie hat Renate eigentlich reagiert?«, brach er das Schweigen.
    »Sie war nicht da. Hat im Kindergarten ausgeholfen. Ich habe nur mit Joseph Sommer gesprochen.«
    Das blaugeäderte Gesicht tauchte vor Ehrlinspiel auf und der eingefallene Körper, der einem Achtzigjährigen gehören könnte, weil ihm der Verlust der Tochter das Leben aus den Adern gesogen hatte.
    »Er ist kaum noch ein Mensch. Aber er denkt nicht schlecht über Sina. Da ist er mit Willi eine Ausnahme im Dorf, nehme ich an. Er hat wie Sina ein Kind durch Verschwinden verloren. Beide wissen, was Ungewissheit und verzweifeltes Hoffen bedeuten.«
    Ein Gedanke glomm in Ehrlinspiel auf, verlosch aber wieder.
    »Joseph hat versprochen, einmal nach Sina zu sehen.«
    »Eine Ersatztochter? Wenn das seine Frau mal zulässt.« Die Wolken zogen sich zusammen. Ehrlinspiel klappte den Mantelkragen hoch.
    »Frieda packt gerade Sachen für Bruno. Sie will ihn besuchen.« Hanna wandte sich ihm zu. »Geht das überhaupt?«
    Er nickte. »Mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft schon. Für Angehörige ist ein Besuch meist kein Problem.«
    »Auf dem Tisch lagen Fachbücher und Zeitschriften. Joseph hat dauernd gesagt: ›Soll ich einpacken für meine Frau. Hab nicht viel Zeit. Gibt Streit sonst.‹«
    »Armes Schwein.«
    »Frieda ist eindeutig schlimmer als ich.«
    Ehrlinspiel musste wider Willen lachen, und mit den Wölkchen, die sich vor seinem Mund bildeten, verrauchte auch sein Zorn auf Hanna vollends. Wieder erkannte er, dass er sich in Gegenwart dieser Frau wohl fühlte. Das machte ihn nervös.
    Er verstaute die Hände tief in den Manteltaschen.
    »Vielleicht hat Frieda einfach keine Frauenseele, die es zu verstehen gilt«, sagte er. Sie waren beim Felsplateau angekommen.
    Sie sah ihn an und sprach laut und fest, um die Quelle zu übertönen: »Sie sind noch böse.«
    Ehrlinspiel erwiderte ihren Blick. Ihm gefiel, wie sie die widerspenstige Haarsträhne unter die Mütze schob. Ihm gefielen ihre Augen, die im spärlichen Frühnachmittagslicht wie schwarze Teiche wirkten. Viel mehr aber mochte ihre Anziehung auf ihrer Stärke und dem Lebensmut beruhen, den sie trotz des Chaos in ihrem Leben ausstrahlte. Und auf der Konsequenz, mit der sie die Dinge verfolgte, die ihr wichtig waren. Ihr Wanderführer. Sina. Und vermutlich auch ihre Beziehungen.
    »Nein«, rief er und dachte: nicht böse. Nur eifersüchtig.
    Er versuchte, sich Hannas bessere Hälfte als blonden Jüngling in einem schnittigen Sportwagen vorzustellen, der röhrend auf eine Klippe zurast. So wie am Schluss von
Harold und Maude,
einem seiner Lieblingsfilme. Bloß dass Hannas Jüngling im Gegensatz zu Harold nicht Banjo spielend und putzmunter auf der Klippe auftauchen würde, nachdem der Wagen in die Gischt hinabgedonnert war.
    Die Vorstellung gelang ihm nicht.
    »Bruno liest total verrückte Sachen«, sagte Hanna und bückte sich, um einen lockeren Schnürsenkel zu binden.
    »Mhm«, murmelte er abwesend. Was für eine Verlockung, diese prallen Rundungen. Aber tabu.
    Die vertraute Emotion stieg in ihm hoch. Zwei Männer, eine Frau. Peter. Die Katastrophe. Geboren aus seiner verfluchten Eifersucht.
    Er blickte zum Felsen hinauf in die kühle Luft. Jetzt wäre die Gelegenheit. Einfach erzählen. Es hinausschreien. Sich endlich befreien von der hässlichen Narbe. Die Bilder hier zurücklassen.
    Diese Bilder. Eine laue Frühlingsnacht. Er fordert Peter zum Kampf um Christine heraus. Sein Freund fällt in die Uferwiese und greift sich an die Brust. Moritz lacht. Peter muss immer den Clown geben. »Los, raff dich auf, du feiger Hund! Wer zuerst am anderen Ufer ist, kriegt sie!« Sie stürzen sich kopfüber in den See. Stolz. Entschlossen. Peter voraus. Sekunden vergehen, bis Peters Kopf wieder an der Oberfläche auftaucht und gleich wieder verschwindet. Auftaucht. Verschwunden bleibt. Moritz selbst hat beim tollkühnen Sprung den felsigen Grund ignoriert. Er achtet nicht auf den irrsinnigen Schmerz im Arm, taucht, rudert, und zieht in

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