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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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seines Freundes. Sie hätte gern gewusst, was damals genau vorgefallen war. Aber es hätte ihr nicht angestanden, nachzuhaken. Und sie hätte sowieso keinen Sinn darin gesehen.
    Wie würde Kora sagen? Ein Typ, der sich nicht öffnen kann, braucht drei Frauen. Die erste heißt Fingerspitzengefühl und sät Vertrauen. Die zweite heißt Engelsgeduld und hegt und pflegt die wachsende Zuversicht. Die dritte heißt Nutznießerin. Die erntet die Früchte dessen, was die Vorgängerinnen mit viel Zeit und Kraft herangezogen haben. Willst du wirklich die erste Frau sein?
    Hanna zog die Nase hoch und ging zur Heizung. Kalt. »Verfluchtes Ding.« Sie trat leicht dagegen, schrie auf und umfasste die Zehen des hochgezogenen Fußes. »Mist, Mist, Mist!«
    Sie riss Socken und Pflaster herunter und gab einen gurgelnden Laut von sich. Rosengleich war der Anblick wahrhaftig nicht zu nennen. Auch wenn Ehrlinspiels »weiß mit dunkelrotem Rand« ziemlich genau das beschrieben hatte, was sie sah.
    Hanna verpflasterte die Zehen frisch und trat ans Fenster. Über dem Kirchturm tanzten zwei schwarze Vögel, umkreisten seine Spitze wie Flugzeuge den Tower, wenn sie auf Landeerlaubnis warteten. Sie nahm das Saxophon aus dem Kasten und spielte
Melinda
von Stan Getz an. Schon nach wenigen Takten beruhigte sie der näselnde Blues, doch anders als sonst gelang es ihr nicht, mit dem Spielen auch ihre Gedanken abzuschalten.
    Ob Ehrlinspiel die Rosen auf Sinas Ladentheke bemerkt hatte? Gesagt hatte er jedenfalls nichts in Hannas Gegenwart.
    Sie kam aus dem Takt und legte das Instrument beiseite.
    Vielleicht war es nur wieder eine ihrer verrückten Ideen. Aber angenommen, Bruno hat Elisabeths Kind unter Orchideen bestattet, und zwar irgendwie mit dieser Stickstoffmethode. Was war dann sein Motiv? Das Leben des Babys fortzuführen, so wie diese Biologin es mit der Katze beschrieben hatte? Dann war er aber kaum der Mörder seiner Schwester. Gleichzeitig Töten und Leben bewahren – das passte nicht zusammen.
    Aber etwas anderes könnte passen!
    Sie schloss den Internet-Browser und klappte ihr MacBook Pro zu.
    Elisabeths Baby. Orchideen. Sinas Baby. Rosen.
Er bringt sie mir, seit Felix verschwunden ist.
    War es abwegig, dass Bruno auch Sinas Kind auf diese Weise bestattet hatte? Unter Rosen beerdigt? Dass er diese Rosen als einen Teil von Felix betrachtete, ein Stück Leben, und dass er Sina dieses vermitteln wollte, indem er ihr die Blumen schenkte? Und wenn ja: Wie war Bruno an Felix’ Leiche gekommen? Dass er ihn aus der Wiege genommen und getötet hatte, konnte Hanna sich nicht vorstellen. Er wollte ja, dass er lebte, weiterlebte – falls ihre Theorie stimmte.
    Nachdenklich sah sie auf den Friedhof hinunter. Die Kirchturmuhr zeigte Viertel nach vier. Unruhe beschlich sie.
    Sie rief Ehrlinspiel an, doch nach zweimaligem Klingeln legte sie auf und warf das Handy auf das Bett. Sie hätte sich bloß lächerlich gemacht. Eine blühende Phantasie, würde der Kommissar sagen, und wenn die Situation nicht mit so viel Leid verbunden wäre, hätte sie über diese Formulierung gelacht.
    Sie beobachtete die beiden Vögel. Noch immer spielten sie mit den Gewalten der Natur, ließen sich fallen, stiegen im Wind auf. Dann glitten sie Richtung Wald davon.
    Der Wald! Wo würde man ein verborgenes Grab anlegen?
    Viele Rosen blühen bis spät im Jahr. Wenn sie einen geschützten Platz haben.
Sinas Worte.
    Wenn es ein Grab gäbe von Felix, wäre Sina erlöst. Sie könnte neu anfangen. Wieder eintauchen in das Leben. Freude spüren. Weggehen. Zu David. Sie könnte Freunde finden. Vielleicht Liebe.
    Hanna schob die Wanderschuhe mit dem Fuß zur Seite und schlüpfte in weit geschnittene Halbschuhe. Ihre kleine Kamera schob sie in die Innentasche der Jacke.
    Als sie die
Heugabel
durch den Hintereingang verließ, klingelte ihr Handy auf dem Bett.

[home]
34
    S ina stand am Grab ihrer Mutter, die Jacke wie einen schützenden Kokon um sich gehüllt. Vom Grabstein nahm sie nur die Silhouette wahr, die schwarzen Abendwolken hatten das Dorf in drückende Dunkelheit getaucht.
    Sie versuchte, ganz still zu stehen. Sobald sie sich bewegte, jagte eine Welle des Schmerzes durch ihren Körper. Ein Reißen im Unterleib, als stecke ein glühendes Eisen darin. Ihr Verstand sagte ihr, dass der Schmerz nicht körperlich war. Dass er nur in ihrem Gedächtnis haftete. Doch sie spürte ihn wie damals in der Nacht, als sie Bruno in die Scheune gefolgt war. Nicht einmal Elisabeth hatte sie

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