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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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verabschiedet hatte. Sie lag am nordöstlichen Dorfrand, und ein Wegweiser zeigte ihm, dass der Schwarzengrund in die Verbindungsstraße zu Monika Evers’ Heimatdorf und dem Polizeiposten mündete. Ob sie wohl gerade alleine war? Im Nordwesten des Dorfes befand sich der Sommerhof, auf der anderen Seite, ganz im Süden, lag die Rabenschlucht. Wäre Johannes mit Elisabeth dorthin gegangen, hätten sie das gesamte besiedelte Gebiet durchqueren müssen. Oder den Wald hinter Beyers Hof.
    Er ließ die Augen durch das Dunkel schweifen, versuchte, eine Besonderheit der Stelle, eine Stimmung zu erspüren. Am Montagabend war Elisabeth angereist und in die
Heugabel
abgeschoben worden. In aller Herrgottsfrühe war sie am folgenden Morgen mit ihrem Vater am Waldrand spazieren gegangen. Einige Stunden später wollte sie mit Sina reden, doch in deren Laden hatte sie Renate getroffen und war wieder gegangen. Am Mittwochvormittag hatte sie Sina erneut aufgesucht und von achtzehn bis neunzehn Uhr mit ihrem Bruder Hermann im Gasthaus gegessen. Die Stunde bis zwanzig Uhr hatte sie mit Johannes verbracht – und war mit ihm in Streit geraten.
    Hier, wo Ehrlinspiel jetzt stand, verlor sich Elisabeths Spur. Und niemand, mit dem sie geredet hatte, wollte etwas bemerkt, etwas erfahren haben? Keinem hatte sie den Grund ihrer Rückkehr anvertraut oder vom Auslöser ihrer einstigen Flucht erzählt?
    Ehrlinspiel wiegte nachdenklich den Kopf.
Ein paar hundert Meter.
    Was war auf diesen paar hundert Metern passiert? Hatte sie hier ihren Mörder getroffen? War sie freiwillig mit ihm bis zur Rabenschlucht gelaufen, hochschwanger, in der Kälte und Dunkelheit, durch den Wald bis zur Lichtung? Warum? Dass Elisabeth alleine die Schlucht aufgesucht hatte und erst dort dem Täter begegnet war, erschien Ehrlinspiel unwahrscheinlich.
    Der Kriminalhauptkommissar machte sich auf den Rückweg in den Dorfkern. Elisabeth musste denselben Weg genommen haben.
Ein paar hundert Meter.
Er schaute in jedes Gehöft, spähte zu den riesigen Landmaschinen, die unter großen Überdachungen geparkt waren. Ob der Mörder sie hier, zwischen den Eisenspitzen von Heuwendern und den Messerkreiseln der Mähmaschinen, abgefangen hatte? Hatte er sich zunächst verborgen gehalten und auf sie gewartet? Oder war er Elisabeth schon länger gefolgt?
    Zwischen zwei großen Holzscheunen fiel Ehrlinspiels Blick auf die dunklen Felder, an deren Ende er den Sommerhof wähnte. Der Geruch nach Gülle stieg in seine Nase. Tatsächlich, die Umrisse der Gebäude hoben sich kaum wahrnehmbar vom Nachthimmel ab, und nur ein Fenster gab sich als winziger strahlender Punkt zu erkennen. Eben wollte er weitergehen, als in der entfernten Hofeinfahrt ein einzelnes Licht aufflammte und sich langsam in Bewegung setzte, den Feldweg entlang, den Ehrlinspiel am Morgen zu Fuß gegangen war.
    Schnell eilte er weiter, unentschlossen, ob er dem Licht spontan entgegengehen oder sich endlich die Tatortfotos auf seinem Rechner ansehen sollte. Auch normale Menschen waren nachts unterwegs. Andererseits hatte er – Müdigkeit hin oder her – keine Lust auf engen Muff. Und schon gar nicht auf eine unberechenbare Raubkatze im flauschigen Pullover.
    Er bog gerade Richtung Sommerhof ab, als er ein Knattern vernahm und das Licht frontal auf sich zukommen sah, gebrochen in den Regentropfen. Überrascht trat er an den Straßenrand. Es war Bruno auf dem Mofa, der im T-Shirt und nur mit dicken Handschuhen geschützt an ihm vorbei durch den Regen spritzte. Er muss sich doch den Tod holen, dachte Ehrlinspiel und sah dem komischen Kauz hinterher. Er erkannte gerade noch eine Kiste auf dem Gepäckträger und ein paar flatternde Planen, als das rote Rücklicht auch schon hinter einer Hecke verschwunden war.
    Bruno. Hatte er überhaupt registriert, was mit seiner Schwester geschehen war? Er überlegte, worin seine Behinderung wohl bestand. »Liss, liss!«, hatte er gerufen. Als wäre der Name Elisabeth ein Stichwort gewesen, zu hopsen und zu reden, wenn auch in Rätseln. War es denkbar, dass seine Schwester
ihm
etwas erzählt hatte? Ihm, der nichts weitersagen konnte oder wollte, einem stummen Vertrauten? Der Vogelscheuche?
    Kurz darauf stand Ehrlinspiel vor dem Sommerhof.
    »Es ist spät.« Frieda Sommer sah die Eingangsstufen hinab.
    »Es geht um Bruno.« Ehrlinspiels Mantel glich mittlerweile einem nassen Sack. Er musste sich einen Schirm besorgen.
    »Bruno ist nicht da. Mein Mann schläft. Und Hermann liest den Kindern

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