Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
Vom Netzwerk:
vor.«
    Er lächelte. »Er hat nichts angestellt, keine Angst. Mich interessiert nur sein Verhältnis zu Elisabeth. Sie sind seine Mutter. Sie kennen ihn am besten. Es dauert nicht lange.«
    »Ziehen Sie die Schuhe aus.«
    Ehrlinspiel schlüpfte aus den Stiefeln, die er im Gasthaus gegen die durchgeweichten Halbschuhe getauscht hatte. Seinen Mantel hängte er neben eine grüne Daunenjacke im Flur. Frieda beäugte das triefende Stück Stoff kritisch, sagte aber nichts. Der Putzmittelgeruch war noch immer nicht verflogen, und auch die Küche wirkte steril wie am Morgen. Einzig der lila Blumenstrauß brachte einen jämmerlichen Fetzen Leben in den Raum.
    »Wie erlebt Bruno den Tod seiner Schwester?« Er setzte sich an denselben Platz wie am Vormittag.
    »Er leidet nicht, wenn Sie das meinen.« Stocksteif nahm auch Frieda Platz.
    »Aber er realisiert, was passiert ist?«
    »Er lebt in seiner eigenen Welt. Aber die ist nicht so schlecht, wie viele meinen.«
    »Verstehe.«
    »Das bezweifle ich.«
    »Erzählen Sie mir etwas über seine Welt.«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Ich habe eine Schwäche für … sagen wir mal … besondere Menschen.«
    Frieda faltete die Hände auf dem Tisch. »Lassen Sie ihn in Ruhe.« Es klang eher wie eine Bitte als ein Befehl.
    »Gibt es einen Grund, warum ich etwas anderes tun sollte?«
    »Bruno tut keinem etwas zuleide. Er lebt für seine Pflanzen und seine Gärten. Alles andere ist ihm egal. Mit Grünzeug kennt er sich aus. Alle Namen kennt er, sogar auf Latein. Er weiß von jeder Blume, jedem Baum und Kaktus, aus welchem Land sie kommen und wie die Blätter aufgebaut sind. Mit Molekülen und so. Ich habe keine Ahnung von Molekülen, aber von ihm kann jeder noch etwas lernen. Wenn er nicht wäre, dann würde die Ernte bei vielen von uns nicht so gut ausfallen. Was er draußen anpackt, das wächst und blüht.«
    »Wie macht er das?«
    »Er ist Wissenschaftler.«
    »Wissenschaftler?«
    »Doktor Brandt, unser Hausarzt, sagt, er sei Autist. Autist! Was heißt das schon. Keiner ist so gescheit wie Bruno. Aber da kommen die Leute hier nicht mit. Lieber stempeln sie ihn mit so einem neumodischen Begriff ab!«
    »Ich glaube nicht, dass sie ihn abstempeln.« Ehrlinspiel musste sich über Autismus informieren. Was er über das Krankheitsbild wusste, hatte er einzig aus dem Film
Rainman,
und an den erinnerte er sich nur noch vage. Dustin Hoffman als Sonderling mit Ängsten und grotesker Motorik. Einer, der Probleme beim Sprechen und im sozialen Umgang hatte. War er gewaltbereit gewesen? »Ich habe nur Gutes über Bruno gehört.«
    »Ja, sicher.« Friedas Stimme klang wie Stacheldraht auf Wellblech. »Weil er jedem hilft. Das ist eben praktisch. Er gräbt dem Lauinger den Acker um, jätet beim alten Birkefeld die Blumenbeete, schneidet dessen Hecken und versorgt die ganze Familie vom Ochs mit Blumenzwiebeln. Aber bedanken tun die sich nicht. Wozu auch.«
    Tiefe Holzfurchen, dachte Ehrlinspiel, als er das Gesicht der Frau betrachtete. Was mag unter der Maske verborgen sein? »Das ist nicht recht.«
    »Bruno ist gutmütig. Er erkennt nicht, wenn ihn einer ausnützt.«
    »Er kam mir mit dem Mofa entgegen. Besucht er jemanden?«
    Sie hob die Schultern. »Ich kontrolliere ihn nicht. Er macht schon alles recht. Unruhig ist er halt. Mein Junge muss dauernd in Bewegung bleiben, herumfahren oder herumrennen. Oft fährt er durch die Gegend mit dem Mofa, egal um welche Tages- oder Nachtzeit. Einfach so. Manchmal bringt er auch Sachen zu den Leuten. Blumenerde, Setzlinge. Oder Gemüse zu Frau Vogel. Das hat er schon immer gemacht.«
    »Woher hat er denn sein Wissen?« Willi hatte von einer Bibliothek gesprochen. Biologie, Chemie.
    »Hermann gibt ihm Geld für Bücher.«
    »Kauft er die selbst?«
    »Ja. Dafür ist er Stunden mit dem alten Knatterkasten unterwegs. Dann kommt er hier an mit einer Kiste voll von dem Zeug. Ich verstehe kein Wort davon.«
    Die Formeln. Er hatte sie also aus den Büchern auswendig gelernt. Auch für Ehrlinspiel waren derlei Bandwürmer ein Mysterium. »Und das Gewächshaus?«
    »Was soll damit sein?«
    »Dafür braucht er doch eine Menge Utensilien. Gartenwerkzeug, Dünger, Saatschalen. Bekommt er die ebenfalls von Hermann?«
    »Der Hermann sorgt schon für seinen Bruder. Und das Gewächshaus ist wichtig für Bruno. Da treibt’s ihn nicht so. Da hält er’s aus. Es ist sein Reich. Es darf sonst niemand rein.«
    »Könnte es sein, dass Elisabeth Bruno etwas anvertraut hat?

Weitere Kostenlose Bücher