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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Dorfes.
    Er sieht den Pfarrer. Der verriegelt die große Tür zur Kirche. Den Talar hat er ersetzt durch schwarze Hosen und eine schwarze Jacke. Ein Immerschwarz. An ihm ist alles gleichmäßig. Der Gang wie auf Moos, die Gesten, die Stimme. Er bewegt sich wie eine Alge im Wasser. Und er will alle einfangen. Bruno tritt beiseite, bis der Immerschwarz fort ist. Er ist ein falscher Immerschwarz. Er mag keine Teufel. Bruno hat nämlich gelauscht. Der Immerschwarz schwafelt an einem Stück und will nicht, dass die Menschen in die Schlucht gehen. Das ist gut. So stört niemand Bruno-Teufel.
    Schnell läuft er auf den Friedhof. Hinter der fünften Thuja von links steigt er in zwei Mauernischen. Die Steine sind rot und rund, und er greift in die Efeuranken, um sich hochzuziehen. Es fällt ihm schwer. Aber nur so sieht er über den oberen Rand hinweg in die Fenster der scheiß Saufbude. So sagt
sie
dazu. Sie weiß es.
    Gleich im ersten Fenster sitzt der Halbkomisch. Er ist eine Sie. Sie isst und gibt dem neuen Ganzkomisch viele Wörter. Das sieht er. Der Ganzkomisch ist der, der heute Nacht in das Paradies geschaut hat. Gestern war der Halbkomisch dort. Die neue Menschenblume. Lilium martagon. Sie riecht nach Rosen und ist leise. Deswegen hat er sie im Paradies geduldet. Sie hat mit Miltonia clowesii gesprochen. Und »Blumenfreunde« hat sie gesagt. Er weiß, was »Blume« bedeutet. Und »Freunde«. Das sind gute Wörter. Hell und leuchtend gelb. Zwei solcher Wörter zusammen waren blendend hell. Fast wäre er hinter den Töpfen hervorgekrochen, als sie mit den Blumen gesprochen hat. Sie war nicht so komisch wie alle anderen. Nur halb so komisch. Aber dann kam der Vater. Und die Mutter. Die dringt überall ein. Kriecht in jede seiner Ritzen.
    Ein loser Stein bröckelt vom Mauerrand, fällt auf die harte Erde. Er krallt sich fest, sucht neuen Halt.
    Den Halbkomisch hat er schon einmal gesehen. Aus sicherer Entfernung. Halbkomisch ist allein im Wald gewesen, wie er. Im Gestrüpp ist er gekauert, er ist klug. Er hat sie beobachtet. Bei der kleinen Eberesche, Sorbus aucuparia. Bis Halbkomisch weggerannt ist. Dann ist er auch weggerannt.
    Ganzkomisch trinkt jetzt, beugt sich zu Halbkomisch, fuchtelt mit dem Messer. Dann schneidet er damit, bewegt den Unterarm vor und zurück.
    Er sieht ihm zu, legt den Kopf schief. Konzentriert sich. Da, plötzlich – Splitter knirschen in seinem Kopf. Finden zueinander.
Der Auftrag!
Er springt von der Mauer hinter den Schiefergrabstein, trabt zurück zum Paradies, jeder Schritt auf vertrautem Boden, jeder Meter ist eins mit ihm.
    Er wird alles wie immer machen.

[home]
16
    S ie sind Elisabeths Alleinerbin.«
    Ehrlinspiel stand mit Sina Vogel und Renate Sommer im Laden, Renates Kinder sprangen um sie herum. Sina hatte sich geweigert, ihre Freundin hinauszuschicken. Das kleine Mädchen versuchte, ein Plüschtier in den Spielzeugtraktor ihres Bruders zu quetschen, der lauthals protestierte und lieber Waschanlage mit dem Putzeimer spielte. Auf der Theke standen Tassen, eine Thermoskanne und ein halber Apfelkuchen. Ehrlinspiel vermutete, dass Renate alles aus Sorge um Sina mitgebracht hatte, da diese statt Mittag zu essen offenbar lieber ihren Laden putzte. Immerhin entging sie damit Kirchgängern und Sonntagstratsch.
    »Ich?« Sina schloss ihre Hände fest um den Schrubberstiel. »Das muss ein Irrtum sein. Wir waren nicht mehr befreundet.«
    »Es ist kein Irrtum.« Ehrlinspiel legte zwei Blätter neben den Kuchenteller. »Das haben die Kollegen vom Polizeiposten heute Mittag per Fax erhalten. Das Testament und ein Brief an Sie.«
    Sina las.
    Sie ist blass wie eine Wachsfigur, dachte Ehrlinspiel, und alles ist viel zu groß für ihre zarte Gestalt. Der Schrubber, ihre Kleidung, die Locken. Sogar ihre Haut scheint zu weit.
    »Wussten Sie von dem Testament?«
    Sie schüttelte den Kopf und legte die Blätter zurück.
    »Darf ich?« Renate Sommer griff danach.
    »Von mir aus«, sagte er. Sina würde es ihr ohnehin erzählen.
    »›… und ich bedaure aus ganzer Seele‹«, las Renate vor, »›was passiert ist. Du hast ein Recht auf Glück. Bitte nimm das Geld und beginne neu, weit weg vom Gerede, vom Aberglauben und von dummen Geschichten. Ich bleibe auf immer Deine Freundin, auch wenn ich Dir nicht sagen kann, warum ich Dich verlassen musste. Lissi.‹« Renate schüttelte den Kopf.
    »Mama, was ist Aberglaube?« Der Junge zerrte an ihrem Hosenbein.
    »Das ist … ach, Tobi«, sie strich ihrem Sohn

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