Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
war am lautesten und aus dieser Entfernung sicher auch am wirkungsvollsten. Sie zielte auf den Motor von Weasels Geländewagen und feuerte zwei Mal, gleich darauf landeten zwei weitere Salven in dem Pick-up, der ihr am nächsten war.
Wildes Geschrei erhob sich und die Männer liefen auseinander. Schüsse wurden in ihre Richtung abgegeben, aber die Männer waren klar im Nachteil. Sie schossen bergaufwärts und ohne Sicht. Keine der Kugeln kam auch nur entfernt in ihre Nähe.
Sie wechselte zu ihrer Glock und konnte noch mehrere Treffer platzieren, ehe Weasel seine Männer so weit im Griff hatte, dass sie die Scheinwerfer löschten. Caitlyn blickte durch ihr Nachtsichtgerät; mit der Glock hatte sie niemanden getroffen, was bei der Entfernung und durch die Bewegung innerhalb der Gruppe keine große Überraschung war. Ein paar Männer machten sich daran, den Berg hochzuklettern, während die anderen ihnen Deckung gaben. Keine schlechte Taktik, hätte Caitlyn sie nicht kommen sehen. So aber musste sie sich nur auf ihren geplanten Fluchtweg zurückziehen, die Straße überqueren und sich ein wenig höher am Berg positionieren. Dadurch gewannen die anderen zwar ein wenig an Boden, aber es verschaffte ihr mehr von dem, worauf sie es wirklich abgesehen hatte: Zeit.
Von ihrer neuen Stellung aus schoss sie auf diejenigen Männer, die zu Fuß unterwegs waren. Sie kraxelten rasch wieder bergabwärts, um hinter einem umgestürzten Baumstamm Schutz zu suchen. Währenddessen versuchten drei andere, auf ihren Motorrädern an ihr vorbeizupreschen, um sie von der Flanke aus anzugreifen.
Sie legte neu an und zielte jetzt auf die Straße, während sie darauf wartete, dass die drei in die Drahtfalle fuhren. Wie gehofft sah der erste Fahrer die Schnur erst, als es zu spät war. Er verlor die Kontrolle über seine Maschine und klemmte sich ein Bein unter dem Seil ein. Da Caitlyn seine Kumpane möglichst weg von der Straße und der Lodge in den Wald hineinführen wollte, trat sie vorsätzlich aus der Deckung hervor und tauchte dann wieder in den Schatten der Bäume ein und zog sich Bernies Sturmhaube über den Kopf.
Ein paar Schüsse wurden in ihre Richtung abgefeuert. Sie schoss im Laufen zurück, dabei ging es ihr jedoch mehr um das Geräusch, als dass sie tatsächlich auf jemanden gezielt hätte. Ihr Fluchtweg verlief parallel zur Straße, damit sie die Reaper notfalls noch im Visier hatte, falls sie ihr doch nicht nachkommen sollten. Dann wurde es still.
Verwundert erklomm sie eine der umstehenden Tannen und versteckte sich in den Zweigen, um wieder durch ihr Nachtsichtgerät zu schauen. Weasel sprach in sein Satellitentelefon, dann winkte er seine Männer zu sich zurück. Was zum Teufel?
Es gab nur eine Erklärung dafür, dass sie so leicht aufgaben. Sie hangelte sich auf die andere Seite des Baumes, von der aus sie freie Sicht auf die Lodge hatte. Selbst ohne das Nachtsichtgerät waren die zwei Scheinwerfer des Subarus zu erkennen, der von mehreren Motorrädern zurück zu Bernies Blockhütte eskortiert wurde. Und dabei hatte sie gedacht, sie würde die Männer in Atem halten. Tatsächlich war sie für Weasel und seine Leute nur ein Spiel gewesen, hatte nur ihre Zeit verschwendet. Poppy. Sicher steckte er dahinter. Und Weasel war auf dem Weg, sich den anderen anzuschließen. Was die nun mit Goose anstellen würden, daran wollte sie noch nicht einmal denken. Und Paul und Lena? Gott, der arme Bernie. Ein kalter Schauer rann ihr den Rücken hinunter, und das kam nicht vom Wind, der ihr in den Kragen fuhr.
Seit ihren Erlebnissen vor sechs Monaten wusste sie nur zu gut, was Angst bedeutete. Das Frösteln wurde stärker, und ihr wurde durch und durch kalt.
36
Goose fühlte sich schrecklich, als er bergabwärts stolperte. Und das lag nicht allein an den Blasen, die sich in seinen Stiefeln bildeten, die eher für Straßenpflaster als für Bergwanderungen gemacht waren. Auch nicht nur daran, dass die Menschen, die er zurückgelassen hatte, ein ungewisses Schicksal erwartete. Oder dass sie überzeugt waren, er habe sie im Stich gelassen, um die eigene Haut zu retten. Alle bis auf Bernie.
Es war auch nicht die Angst, sie alle zu enttäuschen. Dieses schreckliche Gefühl in der Magengrube, das ihm den Blutdruck in die Höhe trieb und die Luft abschnürte, hatte vor allem mit Caitlyn zu tun. Der Blick, mit dem sie sich verabschiedet hatte – sie rechnete nicht mit ihrer Rückkehr.
Es war Caitlyn, die er keinesfalls enttäuschen wollte.
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