Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
Fernsehserien anschauen. Bloß nicht länger hier voller Angst, verwirrt, verloren und allein sein.
So mutterseelenallein.
Die Stimme ihrer Mutter erklang in ihrem Innern.
Schon gut.
Du bist nicht allein, mein Kind. Du bist niemals allein. Ich bin für dich da, und Vonnie und unser aller Vater. Vertraue auf Ihn.
Lena wusste, dass sie sich die liebevollen Worte ihrer Mutter nur einbildete, dennoch halfen sie ihr dabei, sich wieder zu fassen. Gott hatte sie gerettet. Ein ums andere Mal. Hatte sie beschützt. Mom hatte recht: Lena musste Ihm jetzt vertrauen. Sie durfte nicht den Glauben verlieren. Er war ihre einzige Rettung.
Caitlyn hatte den anderen Mann, den Arzt, nach hinten geschickt. Um Wache zu stehen oder etwas in der Art. Dann hatte sie sich zu Lena umgedreht, sich auf die Bettkante gesetzt und Lena mit traurigem Blick angesehen.
»Ich weiß noch, wie du in Windeln herumgekrabbelt bist.«
»Sie kannten meine Schwester.«
»Vonnie war meine Freundin. Die beste, die ich je hatte. Es tat mir leid, das von ihr und deiner Mutter zu hören.«
Lena wandte den Blick ab und blinzelte heftig. Sie fühlte sich wie Glas, das zu schnell in kaltes Wasser geworfen wurde und gleich entzwei brechen würde. Mit geschlossenen Augen sammelte sie innere Stärke. Caitlyn wollte ihr etwas sagen, etwas Schlimmes.
Ihre Befürchtung bestätigte sich, als Caitlyn über Bernies Füße und Smokey hinweg nach Lenas Hand griff. »Ich habe gestern deinen Vater gesehen.«
Lena schlug die Augen auf, es gelang ihr jedoch immer noch nicht, Caitlyn direkt anzuschauen.
»Es tut mir sehr leid, Lena. Er ist tot.«
Die Bedeutung dieser Worte zu verstehen, raubte ihr die letzte Kraft. Bernie drückte sich hoch und nahm sie in den Arm, während sie noch versuchte, Caitlyns Worte umzudeuten. Es war eine Lüge, sie hatte es falsch verstanden, er war eigentlich nur verletzt, oder krank … nein. Es ließ sich nicht leugnen, was Caitlyn wirklich gesagt hatte. Eli war tot.
»Wie?«
»Erstochen. Sie haben die Männer geschnappt, die es getan haben.«
Lena nickte und konnte mit einem Mal nicht mehr damit aufhören. Wenn sie es versuchte, würde sie zusammenbrechen und nie wieder aufstehen können. Sie schlang die Arme fest um den Oberkörper, eine Hand suchte die von Bernie. Dann legte ihr Caitlyn etwas in die andere Hand. Ein kleines Notizbuch. »Er wollte, dass du das hier bekommst.«
Lena umklammerte den Block so fest, dass er umknickte. Sie schniefte, fuhr sich über die Augen, dann wischte sie sich die tränennasse Hand an der Hose ab. Bernie schmiegte sich von hinten an sie, Smokey von der Seite. Ihre Wärme war tröstlich. Sie starrte auf den Block. Etwas, das ihrem Vater gehört hatte. Sie hatte nie zuvor etwas von ihm besessen. Bis auf die Erinnerungen, die sich schlussendlich als trügerisch erwiesen hatten. Lügen, nichts als Lügen. Was war hier drin, vielleicht endlich die Wahrheit?
Nach kurzem Zögern schlug sie das Heft auf und blätterte durch die Bilder. Ihr Haus, das Haus, das ihr Vater mit eigenen Händen erbaut hatte. Sie konnte sich kaum noch daran erinnern, wie es ausgesehen hatte, als sie noch klein gewesen war, aber bei ihren Besuchen hier in Evergreen war sie stets dort vorbeigefahren und hatte jeden Winkel und jede Fuge untersucht, um so ihrem Vater nahe zu sein.
Sie kannte das Haus in- und auswendig, alles daran war ihr vertraut. Ihre Finger glitten über die Zeichnungen, über das von Eli im Esszimmer angebrachte Gesims, über die Kanten des achteckigen Fensters, das er über der Haustür eingelassen hatte, und den Schwung des Geländers.
Doch dann stutzte sie und hielt inne.
»Das hier ist nicht aus unserem Haus.« Sie blickte zu Caitlyn auf, den aufgeschlagenen Block in der Hand, und deutete auf die fremdartigen Zeichnungen. »Weshalb sollte mein Vater so viel Zeit darauf verwenden, diese Zeichnungen anzufertigen, und sie dann unter die anderen mischen?«
Caitlyn starrte Lena an. »Lass mich mal sehen.«
Sie setzte sich neben das Mädchen und nahm ihr das Büchlein aus der Hand. Die betreffenden Seiten waren im hinteren Drittel des Blocks, zwischen Detailaufnahmen eines Geländers und mehrerer Küchenschränke. Die waren ihr gar nicht aufgefallen, als sie gestern Abend alles durchgesehen hatte – sie hatte allerdings auch nach schriftlichen Hinweisen gesucht und nicht nach Bildern.
»Sehen Sie.« Lena deutete auf eine der Zeichnungen. »Hier, der Kamin. Und diese Detailskizze von dem geschnitzten Relief.
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