Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
über denen kurze graue Barthaare sprießten. Begleitet von den unverkennbaren Geräuschen eines Schimpansen.
Lena rollte sich von der Öffnung weg, derartig verängstigt, dass sie sich schaudernd an die gegenüberliegende Wand gepresst zusammenrollte. Wo war sie bloß? In einer Art Zoo eingesperrt?
»Was wollt ihr von mir?«, schrie sie mit tränenerstickter Stimme. Dann packte sie unbändige Wut. Wut auf Gott, auf die Männer, die sie hierhergebracht hatten, auf ihren Vater – denn nur seinem falschen Charakter hatte sie es zu verdanken, dass sie überhaupt hier gelandet war. Sie schrie ihren ganzen Zorn und ihre Angst hinaus.
Die einzige Antwort, die sie erhielt, war das Trommeln kleiner Fäuste gegen die Außenwand und weiteres Schimpansengeschrei.
9
Boone führte Caitlyn zu einem kleinen Büro im Verwaltungstrakt.
Seelsorge
, versprach die zweckmäßige Beschriftung an der Tür. Im Zimmer selbst befand sich ein mit Akten übersäter Holzschreibtisch, dahinter ein Bürosessel und zwei Holzstühle für Besucher auf der anderen Seite. Das Auffälligste war die Großpackung Kosmetiktücher auf dem Tisch.
Als Caitlyn und Boone eintraten, erhob sich der Mann im Sessel. Er war klein, hellhäutig, mit schütterem Haar und in den Fünfzigern, über dem braunen Langarmshirt trug er den weißen Kragen eines Geistlichen. »Agent Tierney? Ich bin Pfarrer Whitford. Wir haben gestern Abend miteinander telefoniert.«
Sie gab ihm die Hand; sein Händedruck war fest, keinesfalls ablehnend. Eher neutral, wie auch sein Gesichtsausdruck. Sie setzten sich. Boone blieb neben der Tür stehen, abwartend, hoffte vermutlich auf einen Hinweis, der den Mord an Hale erklären würde. Caitlyn hatte das Gefühl, darauf würde er noch lange warten.
Eigentlich war der Fall für Boone erledigt – er hatte die zwei Männer, die Hale ermordet hatten. Verflucht, der Mord war sogar auf Kamera festgehalten worden. Doch wie jeder gute Detective gab er sich nicht damit zufrieden, einen Fall lediglich abzuschließen; er wollte verstehen, warum ausgerechnet Hale in die Schusslinie geraten war, und ob der ohnehin prekäre Frieden im Butner-Gefängnis auch weiterhin gefährdet war.
Whitford langte unter seinen Tisch und holte einen Karton voll mit Notizheften und losen Blättern hervor. »An Eli ist ein Architekt verloren gegangen«, sagte er und rollte eine detailgetreue Darstellung der Sixtinischen Kapelle über seinem Aktenchaos aus, auf braunem Fleischpapier gezeichnet. Seltsamerweise gewann das Gebäude durch die bautechnische Grundstruktur nur noch mehr an Schönheit, eingeschobene Detailansichten hoben verborgene Elemente hervor. »Wunderschön, nicht wahr? Er war auch hier in der Anstalt an der Planung von Renovierungsarbeiten und Zusatzbauten beteiligt und hat sogar einen eigenen Entwurf für den neuen Butner-Drei-Komplex eingereicht. Obwohl selbstverständlich niemals das Modell eines Insassen verwendet werden würde.«
Boone lachte leise in sich hinein. »Wäre ja so, als ob man vor dem Superbowl der anderen Mannschaft die eigenen Spielzüge zukommen lässt.«
»Ich glaube wirklich nicht, dass Eli Hale je einen Ausbruch erwogen hat«, sagte Whitford nachdenklich. »Ich habe ihn vor zehn Jahren kennengelernt, und von Anfang an erschien er mir, wie soll ich sagen, zufrieden. Durch die Arbeit an der Biodieselanlage verbrachte er mehr Zeit draußen als in der Zelle, einmal die Woche sprach er mit seiner Familie und mir hat er sogar das Schachspielen beigebracht. Verglichen mit den anderen Sträflingen, die ich betreue, wirkte er allem hier enthoben. Als sei dies das Leben, das ihm vorherbestimmt sei.«
»Warum hat er dann versucht, sich umzubringen?« Boone sprach ihr aus der Seele. Sie wünschte, er würde sich auch setzen. Es war ihr unangenehm, ihn in ihrem Rücken zu wissen. Sie rückte ihren Stuhl so zurecht, dass sie beide Männer im Blick hatte. »Wenn er doch so buddhamäßig und vollkommen zufrieden war, gäbe es dafür keinen Anlass.«
»Ich wünschte, ich hätte eine Antwort darauf, Ermittler Boone, das wünschte ich wirklich. Aber ich bin nicht sicher, ob irgendjemand von uns wirklich verstand, was in Eli Hale vorging.«
Boones grummeliges
Hmpf
zeigte deutlich, dass er genauso wenig von dem salbungsvollen Gefasel hielt wie Caitlyn. Hale mochte ja so einiges gewesen sein, ein Heiliger jedenfalls bestimmt nicht.
»Das gehört also alles mir?«, fragte sie und deutete auf die Schachtel.
Whitford rollte die Zeichnung der
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