Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
streckte nur die Hände leicht nach vorne aus.
»Schon gut, ich bin’s doch nur«, gurrte sie sanft.
Smokey blieb stehen, neigte abwägend den Kopf, kam dann vorsichtig näher und legte eine Hand in die von Lena. Eine Geste voller Vertrauen. Gegen ihren Willen musste Lena weinen. Gemeinsam wandten sie sich der sie umgebenden Wildnis zu.
In welche Richtung, Herr? Wohin Du mich auch führst, ich werde diesem Weg folgen.
16
Caitlyn rieb sich ihre schmerzende linke Schulter, während sie den Subaru die Route 19 entlanglenkte. Vor sechs Monaten hatte sie sich das Schlüsselbein gebrochen. Eigentlich war die Verletzung gut verheilt, bis irgendein Reaper-Schläger sie angegriffen und auf den Boden geworfen hatte, und sie mit eben dieser Schulter aufgekommen war
Es konnte nur ein Reaper gewesen sein, sie hatte dem Arschloch während des Handgemenges seine Anstecknadel vom Kragen gerissen. Immerhin hatte sie auch noch ein oder zwei gute Treffer anbringen können. Dennoch wurmte sie das Ganze. Das war wirklich keine Glanzstunde von ihr gewesen.
Wie zum Teufel hatte der Kerl sie überhaupt derartig überrumpeln können? Diese Frage ließ sie nicht los. Er war von der Flurseite gekommen, die nicht zu den Fahrstühlen führte, also aus einem der Zimmer. Weit von ihrem eigenen konnte es nicht entfernt gewesen sein, denn als sie ihre Tür aufgeschlossen hatte, war er noch nicht zu sehen gewesen.
Vielleicht eines der Zimmer genau gegenüber von ihrem? Von da aus hätte er sie durch den Spion im Flur beobachten können, ihm wäre außerdem die Raumaufteilung vertraut gewesen und er hätte gewusst, dass sie einige Schritte im Dunkel gehen musste, in denen sie von hinten angreifbar war. Sie hatte Jimmy gebeten, für sie zu überprüfen, welche Zimmer belegt waren und ob eines der Zimmermädchen Schlüsselkarten vermisste. Leider würde ihr das nicht groß weiterhelfen, da sie keine Ahnung hatte, wie der Kerl ausgesehen hatte. Also hieß es warten, bis die Aufnahmen der Überwachungskamera einsehbar waren.
Jimmy war allerdings nicht sicher gewesen, ob die Kameras den Bereich, der so weit von Fahrstühlen und Eismaschine entfernt war, überhaupt noch abdeckten. Sie hätten im Hotel bislang nie Probleme dieser Art gehabt, hatte er ihr versichert – als sei sie selbst schuld an dieser ganzen Sache und wäre in die Stadt gekommen, um Ärger zu machen. Caitlyns Sicherheit schien ihm weniger Sorge zu bereiten, als dass einer der Gäste etwas von der Aufregung mitbekommen könnte.
Die Windschutzscheibe war von ihrem Atem beschlagen, also drehte sie das Heizgebläse auf. In gewissem Sinne war es wohl auch irgendwie ihre eigene Schuld. Sie zog Ärger an, wo sie auch hinging. Egal ob in einer gut gesicherten Strafanstalt oder in einer beliebten Hotelanlage. Sie fuhr am
Santa Land
vorbei, durch Cherokee hindurch und dann weiter nach Süden. Dieses Mal würde sie diejenige sein, die für Schwierigkeiten sorgte. Die Reaper durften nicht so einfach damit davonkommen, dass sie eine FBI -Agentin überfallen hatten.
Es war unglaublich, wie sehr Cherokee sich seit ihrer Kindheit verändert hatte. Dort, wo früher nur ein paar klapprige Verkaufsstände mit traditionellem indianischem Handwerk und kleine Bingo-Spielhallen gestanden hatten, säumten heute Einkaufszentren, Motels und ein nagelneues Krankenhaus die Straße. Alles dank des
VistaView
Kasinos.
Das
Pit Stop
, mittlerweile Klubhaus der Reaper, sah allerdings noch genauso aus, wie Caitlyn es in Erinnerung gehabt hatte. Ein langgezogenes zweistöckiges Gebäude mit ein paar kleineren Anbauten dahinter. Harleys standen dicht gedrängt auf dem Parkplatz, viele davon mit Nummernschildern aus anderen Bundesstaaten, außerdem parkten jede Menge Pick-ups, Geländewagen und sogar zwei Kleinbusse vor dem Laden. Die Leuchtschrift am Eingang kündigte den Poker Run am Wochenende an. Das erklärte auch die ganzen ortsfremden Nummernschilder, denn der Heimatsitz der Reaper befand sich in Daytona Beach.
Caitlyn versuchte gar nicht erst, hier eine Lücke zu finden. Nicht, dass sie noch zugeparkt wurde, später konnte sie vielleicht einen freien Fluchtweg brauchen. Also fuhr sie stattdessen auf die verlassene Tankstelle gegenüber vom
Pit Stop
und parkte rückwärts in den Schatten des alten Geschäftsschildes im vorderen Bereich ein. Von hier aus hatte sie einen guten Überblick über das Klubhaus, konnte sich in Ruhe überlegen, wie sie vorgehen wollte und später jederzeit wegfahren.
Einerseits
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