Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)
wiederkommt?«
»Na. Woher soll ich des wissen? Wer sind denn Sie?«
»Rupert Gollas. Sagen Sie ihr bitte einen Gruß von mir. Grüß Gott.«
»Grüß Gott.«
Er machte kehrt, ging rasch zu seinem Wagen zurück und überlegte, was er jetzt nur tun könnte. Wo könnte sie sein?
51
E r hatte sich erneut ins Wohnzimmer begeben, um ungestört reden zu können.
»Was ist?«, fragte er leise, damit man ihn unten im Keller nicht hören konnte.
»Sie ist vor einer halben Stunde wieder losgefahren.«
»Wo seid ihr jetzt?«
»Hinter Eslarn. Sie ist auf einen Waldweg abgebogen. Was sollen wir tun?«
»Ganz einfach. Stellt den Wagen ab und folgt ihr. Ich muss genau wissen, was sie macht. Wo sie hingeht. Wo genau seid ihr?«
»Kurz vor Hinterweiher. Hier zweigt ein Feldweg ab, der von Westen her zum Leybachwald führt.«
Dallmann biss sich auf die Lippen. »Dann trennt euch. Einer geht ihr zu Fuß nach und schaut, was sie da treibt. Der andere fährt den Wagen weg und bleibt in der Nähe. Sobald sie wegfährt, klemmt ihr euch wieder an sie dran. Ihr dürft sie auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Ist das klar?«
»Ja. Ist klar.«
Als er den Keller betrat, wanderten alle Blicke zu ihm.
»Sie ist wieder im Leybachwald. Und damit ist es wohl auch allmählich an der Zeit, dass ihr mich aufklärt. Also. Wo liegen die Gebeine?«
»Im Greiner Bühl«, antwortete sein Vater. »Unter Schutt und Geröll. Unauffindbar.«
»Schön. Hoffen wir’s. Alois?«
»Ja.«
»Kommst du bitte mal mit mir hinauf. Ich möchte gern unter vier Augen mir dir reden.«
Konrad Dallmann wartete die Antwort nicht ab, sondern ging wieder in Heinbichlers Wohnzimmer hinauf. Aus dem Untergeschoss drang das Geräusch gedämpfter Stimmen zu ihm herauf. Während er auf Alois Leybach wartete, betrachtet er Heinbichlers Sammlung von Geweihen und präparierten Tieren. Dass er den Nerv hatte, das hier auszustellen! Aber wahrscheinlich waren das nur die legalen Exemplare. Er betrachtete ein Vogelnest mit kleinen grünen, schwarz gesprenkelten Eiern darin. Wer hatte nur Interesse an so etwas? Und wie viel Geld hatten sie damit wohl verdient? Hatte sein Vater das womöglich auch gedeckt? Oder hatte er vielleicht sogar mitgemacht? Nach Drogen- und Menschenhandel war der Handel mit geschützten Vögeln, Geweihen, Häuten und Eiern ein lukratives Geschäft. Heinbichler und Leybach schienen jedenfalls ausgesorgt zu haben. Hatten sie seinen Vater bezahlt, damit der beide Augen zudrückte? Wie lange sich diese alten Kriegsfreundschaften hielten. Und unantastbar fühlten die sich sowieso. Nicht mal die alten Kühltruhen hatten sie entsorgt.
Alois Leybachs Kopf erschien auf der Treppe, und im nächsten Moment stand der alte Mann vor ihm im Raum. Er war zwar groß und hager. Aber Konrad überragte ihn. Von der Statur her wirkte Alois Leybach neben ihm sogar eher schmächtig. Doch das besagte nicht viel. Seine Zähne waren auffällig klein, aber offenbar vollständig erhalten, was für einen über Achtzigjährigen, der den Weltkrieg überlebt hatte, bemerkenswert war. Vielleicht war es ja auch einfach so, dass die, die übrig geblieben waren, besonders vital gewesen sein mussten. Ja. Das war der richtige Ausdruck. Der Mann wirkte vital, auf fast unheimliche Weise gesund. Interessant, wie die Natur in alle Richtungen gleichermaßen effektiv arbeitete. Nicht das Gute oder Schlechte setzte sich durch, sondern das Vitale. Das, was funktionierte. Leybach hatte funktioniert. Er hatte das Massaker damals angeordnet. Das jedenfalls behauptete sein Vater, der zu seiner Entschuldigung lediglich vorbringen konnte, dass er selbst erst neunzehn Jahre alt gewesen war, als das alles geschah, und er natürlich nicht gewagt hatte, einem SS-Scharführer den Gehorsam zu verweigern.
Alois Leybach war nie behelligt worden. Hatten sie ihn nicht gefunden oder nicht finden wollen? Nach dem zu schließen, was er bei seinen Erkundigungen herausgehört hatte, war eine Figur wie Alois Leybach das Letzte, womit eine Staatsanwaltschaft sich herumschlagen wollte. Man zog es vor, sie geräuschlos wegsterben zu lassen. Man hatte andere Sorgen als Kriegsverbrecher aus der NS-Zeit. Was so etwas allein an Kapazität abzog! Dazu die Presse. Sie hatten wahrlich dickere Fische zu verfolgen als irgendwelche KZ-Opas. Das war der Tenor gewesen bei denen, die er darauf angesprochen hatte. Solange man es irgendwie vermeiden konnte, so eine Figur auffliegen zu lassen, unterließ man es lieber.
»Du
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