Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)
Polizist kurz angebunden. »Die Mutter wohnt dort. Sag mir Bescheid, wenn du vor Ort bist. Und sei vorsichtig. Scharfer Hofhund.«
»Brauchen Sie mich hier wirklich noch?«, fragte Franz Gollas jetzt.
»Ich brauche vor allem erst einmal Ihre Personalien. Haben Sie einen Ausweis dabei? Oder einen Führerschein?«
Er wandte sich an Anja und Obermüller. »Ihre Papiere bitte.«
»Aber ich habe keine Papiere bei mir«, sagte Franz Gollas nervös. »Ist alles unten im Haus. Ich war mit meinem Sohn hier in der Nähe, als meine Frau mich anrief und gesagt hat, im Haingries sei ein Unglück geschehen. Da bin ich gleich hergekommen.«
»Jetzt regen Sie sich mal nicht auf, guter Mann. Hier. Schreiben Sie mir erst einmal Ihren Namen und Ihre Adresse auf.«
Anja und Obermüller hatten ihre Ausweise dabei. Einige Minuten lang war es völlig still. Der Himmel hatte sich bezogen, und es war kühler geworden. Obermüller hatte ihnen den Rücken zugekehrt und betrachtete schweigend den Toten, der unter dem Hochsitz sanft hin und her schwang. Anja schauderte.
»Wir werden Sie alle noch ausführlicher befragen müssen«, sagte der Polizist, als er endlich alle Daten aufgenommen hatte. »Könnten Sie mir freundlicherweise jeweils noch eine Telefonnummer neben Ihre Adresse schreiben, unter der wir Sie erreichen können?«
Obermüller war gerade dabei, seine Nummer einzutragen, als das Funkgerät plötzlich losplärrte. Der Klang war metallisch und stark verzerrt, die Stimme erheblich lauter als vorher. »Günther!«
»Ja.« Der Polizist drückte auf einen Knopf an seinem Gerät, so dass die Stimme seines Kollegen für die Umstehenden nicht mehr zu hören war. Er ging ein paar Schritte zur Seite und lauschte angestrengt. Plötzlich schaute er verstört auf.
»Ja. Große Besetzung«, hörten sie ihn sagen. »Auf jeden Fall. Gib die Meldung raus.«
Er kam wieder auf sie zu. »Sie bleiben erst einmal alle hier.« Dann entfernte er sich wieder und sprach zunehmend erregt in sein Funkgerät hinein.
11
J e länger Anja auf ihre Befragung warten musste, desto schwerer fiel es ihr, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Glücklicherweise saß sie endlich in dem Raum, in dem die Polizei ein vorläufiges Büro zur Zeugenvernehmung eingerichtet hatte, und nicht mehr draußen im Schankraum.
»Es tut mir sehr leid, dass Sie so lange warten mussten«, sagte der Mann, der jetzt hereintrat. »Mein Name ist Gerlach. Kriminalpolizei Weiden. Sie sind Anja Grimm?«
Anja nickte nur. Sie war todmüde. Es war mittlerweile halb zehn. Eigentlich keine übermäßig späte Stunde. Aber sie war seit sechs Uhr auf den Beinen. Und die Ereignisse dieses Tages gaben ihr das Gefühl, als hätte sie zwei Nächte nicht geschlafen. Sie hatte keinerlei Bedürfnis, mit diesem Mann zu sprechen, seine Fragen zu beantworten und die Momente der letzten Stunden noch einmal vor sich auszubreiten. Morgen vielleicht, wenn sie selbst alles durchdacht hatte, die ganzen diffusen Eindrücke zu einem einigermaßen zusammenhängenden Bild geordnet hatte. Aber nicht jetzt.
Der Polizist trat nüchtern und geschäftsmäßig auf, doch Anja spürte sehr wohl, dass das hier keine Routineangelegenheit war. Das Polizei- und Medienaufgebot dort draußen sprach außerdem für sich. Ein Sonderling, der sich im Wald erhängt, hätte wohl kein so starkes Interesse geweckt.
Der Funkspruch auf der Wildwiese hatte alles verändert. Der Streifenpolizist war schlagartig äußerst unfreundlich geworden, wobei sich Anja mittlerweile sicher war, dass die Situation den Mann einfach überfordert hatte und er deswegen so barsch mit ihnen umgegangen war. Als er dann auch noch erfuhr, dass sich bis kurz vor seinem Eintreffen noch eine weitere Person auf der Wiese aufgehalten hatte, verlor er fast die Kontrolle.
»Machen Sie mal augenblicklich Ihren Sohn ausfindig und warten Sie dann zu Hause auf mich«, hatte er Franz Gollas angeherrscht. »Und Sie beide begeben sich jetzt bitte sofort nach Faunried zu Ihrem Fahrzeug und halten sich dort zur Verfügung, bis die Kripo hier ist. Ihre Ausweise bekommen Sie nachher zurück.«
Es hatte kaum eine Stunde gedauert, bis der verschlafene Ort mit Polizeiwagen und Kripofahrzeugen komplett zugeparkt war. Ein Bus mit kriminaltechnischem Gerät war ebenso eingetroffen wie zwei Leichenwagen. Gegen halb acht war sogar ein TV-Übertragungswagen aufgetaucht, doch inzwischen wieder verschwunden.
Die Polizei hatte die Zugänge zum Haingries abgeriegelt und die
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