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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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und verdrehte genervt die Augen zur Decke.
    »Ich weiß nicht, ob er verwirrt war«, erwiderte sie müde. »Er war wütend.«
    »Und plötzlich ging er einfach wieder davon. Weil Sie ihn erkannt hatten, nicht wahr? So war es doch? Sie sprachen ihn beim Vornamen an, und da ging er einfach weg.«
    Jenseits der Verandafenster wurde es immer voller. Stets kamen neue Gäste in die Gastwirtschaft hinein. Die Nachrichten verbreiteten sich natürlich rasch und erfassten die Dörfer in der weiteren Umgebung. Das konnte ihr gleichgültig sein, bis auf den unangenehmen Umstand, dass im Moment ausgerechnet sie in dieser Verhörvitrine saß und ausnahmslos jeder neue Gast, der den Schankraum betrat, sofort zu ihr hinsah.
    »Ich konnte gar nicht verstehen, was er sagte. Herr Obermüller hat versucht, ihn zu beruhigen, und ihm erklärt, warum wir da waren.« Sie richtete sich ein wenig auf ihrem Stuhl auf. Vielleicht würde der Kommissar verstehen, dass sie allmählich gerne nach Hause fahren würde. »Ich habe, wie gesagt, kein Wort verstanden, weil sie Dialekt gesprochen haben. Natürlich hatte ich Angst, denn er hatte ja einen Drilling dabei. Daher habe ich seine Hände im Auge behalten. Dabei ist mir die fehlende Fingerkuppe an seiner rechten Hand aufgefallen. Das war ganz spontan. Ich war so überrascht, dass mir sein Name einfach herausgerutscht ist.«
    »Und er? War er auch überrascht?«
    »Ja. Ich glaube schon. Jedenfalls hat er endlich aufgehört, herumzuschreien.«
    »Und ist gegangen?«
    »Ja.«
    Der Polizeibeamte musterte sie einen Moment lang schweigend. »Sie haben Xaver Leybach also gekannt?«
    »Ja. Ich habe als Kind zweimal die Sommerferien hier verbracht.«
    »In Faunried?«
    »Ja. Auf dem Gollashof. Den Anbau gab es damals noch nicht, aber die Familie hat damals schon Fremdenzimmer im Dachgeschoss vermietet.«
    »Dann kennen Sie vermutlich den einen oder anderen da draußen?«
    »Das ist zwanzig Jahre her, Herr Gerlach. Ich war acht Jahre alt, ein kleines Mädchen. Den Xaver habe ich nur wegen seinem verstümmelten Finger wiedererkannt. So etwas prägt sich einem Kind ein. Aber kennen?« Sie warf erneut einen Blick in den Schankraum. »Ich kenne hier niemanden. Und den Xaver kannte ich am allerwenigsten.«
    Die Tür öffnete sich. Der Gastwirt kam herein, um den Tisch abzuräumen, tat dies allerdings derart langsam, dass seine wahre Absicht, interessante Gesprächsfetzen aufzuschnappen, leicht zu erraten war. Sie schwiegen und warteten, bis er die Teller, Gläser und Tassen endlich umständlich auf sein Tablett geräumt hatte.
    »Darf’s noch was sein?«, fragte er mit einer beschwingten Stimme, von der Anja vermutete, dass die Freude über unerwartete Umsätze die Ursache dafür war. Sie sagte, sie habe schon vor einer Dreiviertelstunde Apfelschorle bestellt, jetzt aber keinen Durst mehr. Auch der Kriminalbeamte lehnte dankend ab.
    »Was ist auf dem Leybachhof geschehen?«, nutzte sie die Unterbrechung, als der Wirt die Tür wieder geschlossen hatte. »Oder dürfen Sie darüber nicht sprechen?«
    Gerlach zögerte mit einer Antwort. Aber dann sagte er: »Wir haben Anna Leybach tot aufgefunden.«
    »Tot. Sie meinen: gestorben?«
    Gerlach schüttelte bedächtig den Kopf. Er räusperte sich. »Sie lag im Stall. Sie ist erschlagen worden.«
    »Erschlagen«, wiederholte Anja langsam. »Wie erschlagen?«
    »Mit einem harten Gegenstand.« Er verstummte einen Moment lang und schien zu überlegen, ob er ins Detail gehen sollte. Schließlich fügt er hinzu, indem er sie aufmerksam musterte: »Mit einem Spaten. Er lag neben der Toten.«
    Anja erbleichte. Sie dachte daran, wie sie nach dem Auffinden Xavers zum Leybachhof gegangen war und vor dem Hund Reißaus genommen hatte. Die Erinnerung daran ließ sie frösteln. Hatte Anna Leybach da bereits im Stall gelegen, blutüberströmt mit eingeschlagenem Schädel? War der Hund aus diesem Grund so aggressiv gewesen?
    »Wissen Sie, wann genau das passiert ist?«, fragte sie geschockt.
    »Wir haben bisher nur eine Hypothese über den Tatablauf«, sagte er zögernd. »Wie es aussieht, hat er sie in den Stall geschleift und dort erschlagen.«
    Er machte eine Pause, denn Anja starrte ihn mit vor Abscheu und Ekel verzerrten Gesichtszügen an.
    »Was?«, stammelt sie.
    »Der Griff des Spatens war blutig«, setzte Gerlach hinzu. »Wir haben seine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe gefunden sowie Blut an seinen Händen und seiner Bekleidung.«
    Anja war zu keiner Reaktion fähig. Gerlach

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