Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Schritte nur eingebildet?
Er blieb noch einen Moment stehen und ging dann schnellen Schrittes weiter. Er drehte seinen Kopf ein wenig zur Seite, um besser hören zu können, was hinter ihm vorging. Jetzt waren die Tritte wieder zu hören. Schnell sprang er in einen Hauseingang und schaute zurück. Tatsächlich war ein Stück hinter ihm eine Gestalt in einer Toreinfahrt verschwunden.
Nikolaus nutzte diesen Augenblick und rannte los. Nach zwei Dutzend Sätzen war er auf dem Marktplatz, wo sich noch einige wenige Leute beeilten, nach Hause zu kommen. Hier würde es niemand wagen, ihn anzugreifen. Jetzt schaute er sich um. Aber niemand folgte ihm. War es doch nur eine Einbildung gewesen? Oder hatte der Verfolger die Jagd abgebrochen, weil er nicht riskieren wollte, auf dem offenen Platz erkannt zu werden? War es wieder der unbekannte Mann mit der Kapuze von heute Mittag gewesen?
Dem jungen Mann pochte das Herz bis in den Hals – vor Anstrengung und vor Aufregung. Er eilte weiter. Als er die Wache am Tor zur Domstadt passiert hatte, war er sich sicher, dass ihm der Unbekannte nicht folgen konnte. Schnell lief er in die kleine Kammer, die ihm in einer der Domherrenkurien zugeteilt worden war. Mit einem Krachen war der Riegel vorgeschoben, und er lehnte sich am ganzen Leib zitternd an die Tür. Endlich fühlte er sich einigermaßen sicher. Aber bis er wieder zur Ruhe gekommen war, um sich endlich schlafen legen zu können, brauchte es drei Becher Wein. Zum Glück hatte der Kurfürst ihm ein paar köstliche Tropfen zur Verfügung stellen lassen.
Bei der Stadtkirche
Die Nacht war grausam gewesen. Leicht angesäuselt hatte sich Nikolaus schlafen gelegt. Aber im Traum war er immer wieder von einem schwarzen Unbekannten, dessen Gesicht von einer Kapuze verborgen war, verfolgt worden. Jedes Mal hatte er bereits die Hand des Verfolgers im Nacken gespürt, bevor er mit einem heiseren Schrei aufgewacht war.
Nachdem sich Nikolaus gewaschen hatte, ging er in die Küche, um sich ein kleines Frühstück zu holen. Zum Glück war er nicht gezwungen, sich den Priestern anzuschließen, die sich schon vor Stunden erst zum Gebet und dann im Refektorium zur Morgenmahlzeit versammelt hatten. Seine Ausnahmestellung als Jurist des Kurfürsten kam ihm jetzt zugute. Doch kaum war er wieder in seiner Kammer, um in Ruhe Brot, Butter, Käse und einen kleinen Krug frischer Milch zu genießen, platzte der Dompropst herein. Ohne ein Wort der Begrüßung begann von Meuren sofort: »Wo seid Ihr denn? Ich habe Euch schon gestern Abend und den ganzen Morgen suchen lassen.«
Nikolaus spülte seinen Bissen hastig mit einem Schluck Milch hinunter: »Entschuldigt bitte, Euer Ehrwürden. Ich habe gestern bis zur Dunkelheit Nachforschungen angestellt.«
»Und? Warum seid Ihr nicht gleich zu mir gekommen?«
Der junge Mann musste sich beherrschen. Er stellte sein Frühstück zur Seite und stand auf. Er wollte sich nicht von oben herab anschnauzen lassen. »Ich bin noch zu keinem Ergebnis gekommen.«
Meuren warf die Arme in die Luft. »Egal, was es ist, ich will jederzeit unterrichtet sein. Das habe ich doch gestern deutlich genug gesagt. Oder habt Ihr das schon wieder vergessen?«
Nikolaus verneigte und entschuldigte sich. Göttliche Eigenschaften wie Demut und Selbstbeherrschung waren jetzt angebracht. Alles andere hätte nur noch mehr Ärger verursacht. Wie der Herr Jesus schon gesagt hatte: »Wenn dich jemand auf die linke Wange schlägt, halte ihm auch die rechte hin.« Der Dompropst saß eindeutig am längeren Hebel und hätte die Laufbahn des jungen Doktors beenden können, bevor sie so richtig begonnen hatte.
Er gab einen kurzen Bericht seiner Ergebnisse. Er erzählte von den andauernden Reibereien zwischen Adam Grimbach und Herrmann Albrecht. Davon, dass Helena dem einen gegeben worden war, aber vom anderen begehrt wurde. Und dass sich die jungen Leute näher standen, als so mancher wusste. Natürlich erwähnte er die geheimnisvolle Abmachung mit Theodor Junk, von der alle wussten, dass es sie gab, aber niemand sie wirklich kannte. Und zuletzt berichtete er auch vom Streit mit dem Viehhändler Finken wegen eines verpfuschten Baus.
»Was wollt Ihr als Nächstes tun?«, fragte der Dompropst anschließend.
»Am liebsten würde ich mir das gestrige Geschehen bei St. Gangolf von den Arbeitern am Dach erzählen lassen.«
»Wo ist das Problem?«
Nikolaus kratzte sich am Kinn. »Eigentlich gibt es keins. Außer ... Was werden die wohl sagen, wenn
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