Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
entströmte. Eigentlich war es Zeit für eine Mahlzeit. Wenn der Meister noch da war, konnte er sein Anliegen ja vorbringen, während Nikolaus etwas aß.
Er betrat die Gaststube und schaute sich um. Überall an den Tischen saßen Leute und aßen und tranken. In der hintersten Ecke saß Adam Grimbach mit einem anderen jüngeren Mann. Die beiden hatten ihre Köpfe zusammengesteckt und tuschelten miteinander. Nikolaus zwängte sich durch die Reihen. Erst als er den Tisch der beiden erreicht hatte, bemerkte man ihn.
»Welch ein Zufall!«, rief der Zimmermannsmeister aus und sprang auf. »Setzt Euch doch bitte zu uns.« Er holte einen freien Stuhl und stellte ihn dazu.
»Kein Zufall. Ich suchte Euch und traf auf den ehrwürdigen Trips. Der schickte mich hierher.«
»Sehr gut.«
Und schon saßen sie zu dritt am Tisch. Grimbach und sein Freund hatten bereits gegessen. Ihre benutzten Teller standen noch vor ihnen. Aber noch ehe Nikolaus etwas sagen konnte, stand der Wirt neben ihm und fragte nach seiner Bestellung. Eine Scheibe Ochsenbrust mit Gemüse und ein Humpen Bier sollten ausreichend sein.
Adam Grimbach fragte: »Ihr habt mich auch gesucht?«
»Ja. Ich habe da noch ein paar Fragen, die Ihr mir am besten beantworten könnt. Aber dem aufgeregten Ulrich Trips nach zu urteilen, scheint Euer Anliegen dringender. Womit kann ich Euch dienen?«
Der Meister schaute seinen Freund kurz an. Ihre Mienen waren versteinert. Es musste sich um eine sehr ernste Angelegenheit handeln. Doch ehe Grimbach den Mund aufmachen konnte, stieß sein Freund ihn mit dem Ellbogen an. Denn in diesem Augenblick kam der Wirt und schob den Teller mit den Speisen auf den Tisch und stellte das Bier daneben.
»Zwei Heller«, brummte der Mann.
Nikolaus reichte ihm die Münzen und wartete, bis der Wirt einige Schritte fort war. »Ihr wollt nicht, dass jemand von dem etwas mitbekommt, was Ihr mir zu sagen habt?«
Der Freund nickte und sagte leise: »Hier sind mir zu viele Ohren. Es war eine dumme Idee, hier zu warten.«
»Gleich wird es schon leerer«, beruhigte ihn Grimbach. »Die meisten müssen ja noch ein paar Stunden arbeiten.«
Nikolaus schaute sich vorsichtig um. Einige andere Gäste saßen ziemlich in der Nähe, und man konnte nie wissen, was die zufällig mitbekamen. Also schlug er vor: »Entschuldigt bitte, aber ich habe Hunger. Dann könnt Ihr mir vorher meine Fragen beantworten. Die kann ruhig jeder hören.« Und er schob sich den ersten Bissen in den Mund.
Die beiden Männer nickten zustimmend.
»Wie geht es nun bei St. Gangolf ohne Herrmann Albrecht weiter?«
Der Meister kratzte sich im Nacken. »Wie schon? So wie bisher auch.«
»Und wer übernimmt seine Arbeit?«
Grimbach lächelte. »Die habe ich bisher doch sowieso schon gemacht.«
»Wie kam es dazu?«
»Albrecht hatte das Arbeiten wahrlich nicht erfunden. Er hat andauernd darüber diskutiert, wie man dieses oder jenes leichter oder schneller machen könnte. Er wusste immer alles besser. Aber selber Hand anlegen war ihm denn doch zu viel.«
»Er war also eher einer, der aufhielt, als einer, der etwas schaffte.«
»Genau.«
»Seid Ihr froh, dass er nun weg ist?«
Grimbach richtete sich auf. »Ich denke, ich sollte jetzt genau auf das achten, was ich sage.« Er hielt einen Moment inne. »Denkt Ihr, ich hätte den Albrecht umgebracht?«
Nun lächelte Nikolaus: »Habt Ihr?«
»Nein.«
»Wer könnte es denn gewesen sein?«
Der junge Meister überlegte einen Moment. »Herrmann ging einem ganz schön auf die Nerven, und seine Arbeit war alles andere als empfehlenswert. Aber ihn deswegen zu ermorden, finde ich ziemlich weit hergeholt.«
»Was ist denn Eure Vermutung zu den Todesumständen?«
»Ganz klar ein Unfall. Er war unvorsichtig, ist abgerutscht und abgestürzt.«
»Und Ihr meint wirklich nicht, dass es auch ein Selbstmord gewesen sein könnte?«
Grimbach lächelte breit und schüttelte den Kopf. »Selbstmord? Herrmann war so von sich selbst überzeugt, dass er niemals einen Fehler zugegeben hätte. Er, der Einzige mit dem absoluten Durchblick, der Einzige, der die Weisheit mit Löffeln gefuttert hat. Da hätte etwas anderes passieren müssen als ein schiefes Dach oder ein wackeliges Fachwerk.«
»Habt Ihr gestern Morgen jemanden auf dem Turm gesehen, der nicht dort hingehörte?«
Der Meister ließ sich Zeit mit der Antwort. »Sofort nachdem ich die Schreie gehört hatte, lief ich die Treppe runter. Einige Leute waren ein ganzes Stück vor mir.«
»Wer?«
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