Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Atem – ob das vom Rennen kam oder von der Aufregung, war nicht ersichtlich. Lange konnte er noch nicht hier sein, aber dank der Hilfe des treuen Dieners hatten die beiden genug Zeit gehabt, die dringlichsten Neuigkeiten auszutauschen und sich abzusprechen.
Der Schöffenmeister fühlte sich als Herr der Lage und polterte ohne eine Begrüßung sofort los: »Was erlaubt Ihr Euch, hier so einfach mit Soldaten einzudringen, als wären wir dahergelaufene Strauchdiebe? Ihr überschreitet Eure Kompetenzen. Ich werde mich bei Eurem Herrn, dem Erzbischof, über Euch beschweren.«
Der Dompropst reckte wie üblich sein Kinn und wippte auf den Zehenspitzen, um größer zu erscheinen. »Ich möchte Euch daran erinnern, dass unser geliebter Kurfürst auch Euer Herr ist. Allein der Wunsch, Trier zu einer Freien Reichsstadt zu machen, reicht leider nicht aus, ihm den Gehorsam zu verweigern.«
»Das werden wir noch sehen. Der Kaiser hat da auch noch ein Wort mitzureden.«
»Das hat er schon getan. Erinnert Ihr Euch an das Urteil Kaiser Karls 29 vom 22. Dezember 1364?
Schöffenmeister, Schöffen und Bürger der Stadt Trier sollen Erzbischof Kuno als ihrem Herrn und Vogt untertänig und gehorsam sein. Dem Erzbischof steht daselbst alle Gerichtsbarkeit, hoch und niedrig, zu, und er hat die Macht, das höchste Gericht über Hals und Haupt zu tun.«
»Dann vergesst nicht den Sühnevertrag vom Juni 1377:
Der erzbischöfliche Schultheiß zu Trier darf keinen Bürger gefangen nehmen ohne Urteil der Schöffen.«
Meurens strenger Gesichtsausdruck wandelte sich augenblicklich zu einem Lächeln. »Bitte verschweigt nicht, wie der Satz weitergeht:
Es sei denn wegen öffentlichen Mordes oder Diebstahls oder wenn der betreffende Verbrecher auf frischer Tat betroffen wird.«
Junk knurrte: »Mag sein.«
»Und genau dies liegt hier vor: Mord und Diebstahl.«
»Beweist es!«, rief von Buschfeld zornig aus. »Alles andere ist reine Schikane.«
Siegesgewiss reckte sich der Dompropst. »Inzwischen konnten wir nachweisen, dass Euer Sohn Heinrich Sebastian Vierland heimtückisch ermordet hat.«
»Lüge! Es gibt niemanden, der den Mörder beschreiben kann!«
Nun trat Nikolaus vor und verbeugte sich: »Entschuldigt bitte, werte Herren. Darf ich darum bitten, den Beweis zu erklären?«
»Ihr seid doch nur ein weiterer Laufbursche des Kurfürsten.«
»Ich habe in Padua unter anderem Jura studiert und wurde zum Doktor der Juristik ernannt. Mir wurde das Recht verliehen, als juristischer Gutachter und in Prozessen als Anwalt aufzutreten. Ihr versteht dann sicherlich, dass für mich Gesetz und Gerechtigkeit wertvolle Güter sind.«
Die beiden Ratsherren schauten sich kurz an und erlaubten Nikolaus mehr oder weniger zerknirscht, seine Argumente darzulegen. So erklärte er, dass aufgrund der Wunden am Leichnam, der bei Heinrich gefundenen Waffe und seiner Linkshändigkeit nur er der Mörder sein konnte.
Der Wechsler schwieg einen Moment und wandte dann ein. »Mein Sohn wird aber nicht der einzige Linkshänder in Trier sein. Und bestimmt haben auch andere in der Stadt solch einen ungewöhnlichen Dolch.«
Nikolaus nickte: »Bestimmt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass beides zusammenkommt, ist sehr gering.«
Buschfeld hob den Zeigefinger. »Aber nicht auszuschließen.«
»Aber Euer Sohn hatte für die Tat einen handfesten Beweggrund. Sebastian Vierland wollte verraten, wer zu der Bande der Erpresser gehörte. Euer Sohn oder Peter Kirn müssen uns in der Gaststube gesehen haben. Oder ein Gast hat uns belauscht und es ihnen verraten.«
»Und warum haltet Ihr die Söhne von Walther Kirn und Hans Schauf fest?«, wollte Theodor Junk nun wissen.
»Leider habe ich ja mit eigenen Augen gesehen, wie versucht wurde, aus einem alten Ladenbesitzer sein sauer verdientes Geld herauszuquetschen.«
Die Ratsherren waren sehr still geworden. Die Tragweite dieser Anschuldigungen war nun jedem bewusst geworden. Nur noch ein Wunder konnte die drei jungen Männer vor dem Henker retten.
Schließlich fragte Theodor Junk: »Warum seid Ihr mit Gewalt hier eingedrungen? Das hättet Ihr uns ja auch genauso gut später erklären können.«
Ehe Nikolaus etwas sagen konnte, fiel ihm Simeon von Meuren ins Wort: »Zu dieser verabscheuungswürdigen Bande von Räubern gehören aber auch Eure Söhne Konstantin, Crispus und Thomas.«
»Das behauptet Ihr!«
»Das werden wir dann ja sehen. Die Halunken, die wir schon im Sack haben, werden bestimmt bald singen wie süße, kleine
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