Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
umbringen wollte.«
Die Antwort kam gepresst, fast knurrend. »Das hatte er nicht geschrieben. Das wollte ich ja gerade in Erfahrung bringen.«
»Ach, ja?« Meuren lachte schallend und schlug sich auf die Oberschenkel, als hätte er den besten Witz seines Lebens gehört. Schließlich richtete er sich wieder auf, sein Lächeln erstarb augenblicklich, und er baute sich vor dem Schöffen auf. »Ich glaube Euch kein Wort. Eure Geschichte ist eine glatte Lüge. Ihr habt ihn umgebracht. Ich werde noch herausfinden warum, und dann mache ich Euch den Prozess. Das schwöre ich Euch.«
Die beiden Kontrahenten standen genau voreinander und blickten sich unversöhnlich an. Mit ihren Blicken versuchten sie, sich förmlich gegenseitig zu vernichten. Wer würde sich als Erster abwenden?
Junks Stimme war nun leiser, aber nicht weniger ernst. »Ihr verrennt Euch da in eine aussichtslose Sache.«
»Eure hanebüchenen Lügengeschichten zeigen mir nur zu deutlich, dass Ihr etwas zu verbergen habt.«
»Ihr habt schon einmal geschworen, mir den Prozess zu machen. Erinnert Ihr Euch?«
Meurens Verblüffung war ihm ins Gesicht geschrieben. Er wich einen Schritt zurück. Dann noch einen.
Der Schöffe deutete ein überlegenes Lächeln an. »Damals beim Tod meiner Frau.«
Die Lippen des Dompropstes bebten. Zischend presste er hervor: »Ich weiß, dass Ihr sie umgebracht habt. Ihr habt sie gehasst, weil sie sich Euch nicht so unterordnen wollte, wie Ihr es gerne gehabt hättet.«
»Warum wohl?«
»Weil Ihr herzlos seid! Für Euch zählte doch nur, dass Ihr endlich Söhne hattet.«
»Und wer hatte ihr die Flausen in den Kopf gesetzt?«
»Das wusste sie auch alleine.«
Junk bewegte den Kopf langsam hin und her. Er genoss diesen Augenblick. »Ihr wart das. Ihr habt sie mit Euren üblen Gedanken vergiftet.«
»Wie sollte ich! Ihr wart doch mit ihr verheiratet.«
»Das hat Euch aber wenig gestört.«
Meuren prallte zurück. Verlegen blickte er sich um und rang nach Worten. Im Katz-und-Maus-Spiel waren fast unbemerkt die Rollen getauscht worden. Der Schöffe setzte nach. »Als junger Priester habt Ihr Euch voller Inbrunst um eine junge Frau gekümmert. Ganz besonders, wenn ihr Ehemann unterwegs war.«
Der Dompropst war sehr blass geworden. »Ich ... ich ... ich war schließlich Sabines Beichtvater.«
»Und das gab Euch den Grund, hier zu übernachten?«
»Äh ... Sie hatte schwere Probleme, und Ihr habt sie damit allein gelassen. Einer musste ihr ja beistehen. Im Notfall verzichte ich auch auf meine persönliche Bequemlichkeit.«
»Ihr habt auf nichts verzichtet. Im Gegenteil. Ihr habt Euch etwas genommen, das Euch als Priester nicht zustand.«
»Was ... äh ... was meint Ihr?«
Jetzt reckte sich Theodor Junk und donnerte los: »Helena ist Euer Kind! Ihr habt meine Frau zu einer Ehebrecherin gemacht! Ihr seid der Verbrecher! Ihr habt gegen Euer Gelübde verstoßen! Habt Ihr das dem Erzbischof schon gebeichtet?«
Meuren taumelte zurück und schlug sich die Hände ins Gesicht. Er stöhnte bei jedem Atemzug gequält auf. »Helena ... Mein Kind? ... Ich wusste doch nichts ... Sabine hat nichts gesagt ... Was habe ich getan?«
Noch ehe jemand etwas sagen konnte, lief er hinaus. Zurück blieben drei Männer, die sich völlig konsterniert ansahen. Deutlicher konnte ein Schuldeingeständnis nicht ausfallen. Der Schöffenmeister machte ein höchst zufriedenes Gesicht. Schließlich hatte er gewonnen, er hatte seinen langjährigen Feind erfolgreich vertreiben können.
Aber am sprachlosesten von allen war Nikolaus. Er hatte den Schluss des Disputs nur noch mit offenem Mund verfolgen können. Der Versuch, Junk in die Enge zu treiben und endlich den Grund für die Anwesenheit der Honoratioren bei St. Gangolf geliefert zu bekommen und das Geheimnis um die Heirat Helenas zu ergründen, war gründlich danebengegangen. Sein Mitstreiter hat sich als grandioser Fehlgriff erwiesen. Der selbstherrliche Dompropst war einfach überrannt worden – wie ein einzelner leichtsinniger Ritter, der sich gegen ein ganzes Heer stellen wollte.
Das war also der Grund, warum sich Simeon von Meuren und Theodor Junk so unversöhnlich gegenüberstanden: der Streit um Sabine Wiesenfeld. Der Dompropst hatte offensichtlich nicht gewusst, dass Helena von ihm gezeugt worden war. Wie konnte man so etwas nicht mitbekommen? Oder hatte Sabine ihm etwas vorgespielt? Aber der Schöffe hatte es gewusst. Von wem? Von seiner Frau? Von einem der Angestellten im Haus? Hatte
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