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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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vor. Andy Steinfelder, ihr Kunde, stolpert über eine Leiche. Johannes Lehr ist im Pornogeschäft tätig.« Nero begann zu schwitzen, zog das Cordjackett aus und warf es über einen leeren Stuhl. Dabei fing er Freiflugs Blick auf. Der Mann war mindestens zehn Jahre jünger als er. In seinen Augen stand eine Ernsthaftigkeit, die Nero unwillkürlich Respekt einflößte.
    »Haben Sie denn gar keinen Anhaltspunkt, was die Identität von diesem Müller betrifft?«, fragte Nero. Es wurde still im Raum. Die Bewegungen froren ein. Also hatten sie eine Ahnung. Oder sogar handfeste Beweise. »Also?«, fragte er mit aller Autorität, zu der er imstande war. »Handelt es sich bei Müller um den Ring, für den Mister den Kontakt zu Lehr herstellte?«
    »Wenn die Steinfelder mit unserem Mordopfer eine intime Beziehung hatte«, erklärte Roderick ausweichend, »müssen wir sie dazu vernehmen.«
    Jemand klopfte an die Tür. Alle sahen auf. In den Gesichtern spiegelte sich der Stress, unterbrochen zu werden, aber auch Dankbarkeit für die Denkpause.
    »Eine junge Dame ist hier und möchte eine Aussage machen«, sagte Sigrun West. Sie war totenblass. Ihre Augen wanderten zu Nero, blieben aber ausdruckslos. »Die Kollegen aus der Ettstraße haben sie rübergeschickt. Hat mit Lehr zu tun.«
    »Keller, übernehmen Sie das?«, bat Woncka.
    Nero nickte und ging hinaus. Der erste Test. Eine Vernehmung, kein Referat. Praxis, nicht Theorie. Er folgte Sigrun, die ihn zu einem Verhörzimmer brachte.
    »Die Personalien haben wir schon aufgenommen«, sagte sie. »Marietta Soltau, 22 Jahre alt, geboren in Amberg. Sie vermisst eine Freundin. Sie standen beide für Pornos vor der Kamera, und zwar offensichtlich bei Johannes Lehr. Ich habe die Vermisstenmeldung schon rausgegeben. Sie hat sogar ein Foto ihrer Freundin mitgebracht.«
    Sigrun schloss die Tür hinter ihm. Eine junge Frau saß am Tisch, sehr schmal, das Gesicht verweint. Sie trug einen knappen Anorak und hatte einen Schal um ihren Hals gewickelt. Als Nero hereinkam, blickte sie auf. Der Gedanke, sie könnte seine Tochter sein, durchfuhr ihn heiß. Er gab ihr die Hand.
    »Ich bin Hauptkommissar Nero Keller. Bitte sagen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben.«
    Ihre Hand war eiskalt. Sie zog sie rasch zurück und strich sich eine Strähne hinters Ohr.
    »Ich bin zur Polizei gegangen, um meine Freundin Valeska als vermisst zu melden«, sagte sie. »Valeska Keim. Wir sind Nachbarinnen im selben Haus.« Sie nannte die Adresse. »Ich glaube, dass …« Sie unterbrach sich und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
    »Frau Soltau!« Sie wirkte kindlich in ihrer Verstörtheit. Es wäre besser, wenn eine Kollegin mitmachte. Warum war Sigrun gegangen? Spielten sie hier einen Initiationsritus auf dem Rücken einer hilflosen Zeugin durch?
    »Es ist wichtig, dass ich Ihnen einige Fragen stelle, denn wir nehmen an, dass Sie Informationen haben, die bei der Klärung eines anderen Falles von Bedeutung sind.«
    Marietta brach in Tränen aus.
    »Möchten Sie, dass eine Beamtin, eine Frau, diese Vernehmung durchführt?«
    Marietta schüttelte den Kopf. »Die verachten mich nur«, brachte sie hervor und fingerte an einer Packung Tempos.
    »Erklären Sie mir das.« Dieses vermaledeite Mitleid, das wunde Gefühl in seinem Brustkorb konnte er nicht brauchen. Er musste seine Position klarmachen, Territorium gewinnen.
    »Valeska und ich sind neu in München. Seit September. Wir haben uns zwei Apartments im selben Haus genommen. Valeska arbeitet im Klinikum rechts der Isar als MTA. Ich habe mich an der Uni in Jura eingeschrieben. Wir … versuchen ein bisschen Geld nebenbei zu verdienen.« Marietta hielt sich an den Sätzen fest wie an einem Seil, das sie über eine Schlucht führen würde. »Wir antworteten auf eine Anzeige, die Stripperinnen für Pornos suchte. Alles lief ganz lässig. Jean hieß der Mann, der uns filmte.« Sie sah zu Nero auf, und er nickte ihr zu. »Er war beeindruckt von Valeska. Sie sollte sich vor der Kamera selbst befriedigen, er wollte auch andere Sachen mit ihr machen, was mit Elektroden und so. Auch Fesselspiele. Valeska hat das Spaß gemacht. Das können Sie vielleicht nicht verstehen, aber sie hat einfach mehr sexuelle Energie als andere.« Marietta nestelte an ihrem Schal. »Dann war da die Sache mit der Brücke. Sie haben draußen gefilmt, bei der Kälte, es gab ein Codewort, damit Valeska, wenn sie gefesselt ist, alles sofort stoppen kann. Valeska hat gefroren und hatte Angst und

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