Schwein Oder Nichtschwein
verspüre nicht den leisesten Wunsch, in Mr. Vails Arme zu tauchen. Ich frage mich, ob Sie wohl gerne eine kleine Geschichte hören würden?«
»Geschichte? Natürlich, natürlich. Nur zu. Aber was soll dieses ›Mr. Vail‹-Gerede?«
»Erinnern Sie sich? Ich habe Ihnen erzählt, daß ich gestern abend mit Mr. Vail essen gehen wollte.«
»Sicher. Aber –«
Penny fuhr fort mit einer fremden, metallischen Stimme, die Jerry an Gloria Salt erinnerte, als sich diese erfüllte und ausdrückte, was das Thema Lord Vosper betraf. »Wir hatten verabredet, uns um acht im Savoy zu treffen. Ich hatte am Nachmittag eine Anprobe, und als ich ungefähr um sechs Uhr nach Hause kam, fand ich eine Botschaft vor. Sie besagte, daß Mr. Vail bedaure, nicht mit mir zu Abend essen zu können, da eine wichtige geschäftliche Angelegenheit dazwischengekommen sei. Ich war natürlich enttäuscht –«
Sie schluckte, und eine Träne stahl sich ihre Wange hinunter. Jerry, der sie entdeckte, wand sich vor Reue. Er verstand plötzlich, wie sich ein gutmütiger Scharfrichter an einem orientalischen Hof gefühlt haben mußte, nachdem er soeben eine Odaliske mit einer Schnur erdrosselt hatte.
»Aber Penny –«
»Bitte!« Sie warf ihm einen füchtigen Blick zu, die Sorte Blick, den eine gute Frau einer Raupe zuwirft, die sie in ihrem Salat fndet, und wandte sich wieder Gally zu. »Ich war natürlich enttäuscht. Das ist ja selbstverständlich, denn ich hatte mich sehr darauf gefreut, ihn zu sehen, aber ich verstand voll und ganz, daß solche Dinge passieren können –«
Gally nickte.
»Um uns zu prüfen.«
»Ich verstand voll und ganz, daß solche Dinge passieren können –«
»Vermutlich sollen sie uns vergeistigen.«
»Ich sagte, ich verstand voll und ganz, daß solche Dinge passieren können«, fuhr Penny fort, indem sie die Stimme erhob und Gally einen Blick zuwarf, der in der Qualität jenem nicht nachstand, den sie soeben Jerry zugedacht hatte, »und ich sagte mir, daß Mr. Vail wichtige Geschäfte natürlich meinetwegen nicht vernachlässigen könne.«
»Aber Penny –«
»Und als Lord Vosper mich zum Essen einlud, dachte ich, daß es eine angenehme Art und Weise wäre, den Abend zu verbringen. Lord Vosper, scheint es, hat eine Vorliebe für ein bestimmtes Restaurant, nämlich Mario. Dorthin gingen wir.«
Sie machte abermals eine Pause, dieses Mal, weil Jerry, dem die Augen aus den Höhlen hervorquollen, einen Laut nicht unähnlich dem des Heulens eines Wolfes in der Falle hervorgebracht hatte.
»Wir hatten keine Abendgarderobe angezogen«, nahm sie ihre Erzählung wieder auf, »deshalb gab man uns einen Tisch auf der Galerie. Kennen Sie Mario, Gally?«
»Gab es zu meiner Zeit noch nicht.«
»Es ist recht hübsch auf der Galerie. Man hat einen guten Blick auf den Hauptteil des Restaurants. Und eines der ersten Dinge, die ich dort entdeckte, war Mr. Vail, der sich seinen wichtigen Geschäften widmete. Sie bestanden darin, mit einem Mädchen zu essen, das aussah wie eine Schlange mit Hüften, und sich von Zeit zu Zeit die Wange von ihr tätscheln zu lassen.«
Gallys Monokel schwang zu Jerry herum wie das Auge eines feuerspeienden Drachen. Sein Gesichtsausdruck war streng und entschlossen.
»Sie abgründiges junges Warzenschwein!«
»Oh, das dürfen Sie nicht sagen, Gally«, sagte Penny, indem sie ihn sanft tadelte. »Ich bin sicher, daß Mr. Vail eine vollkommen befriedigende Erklärung hat. Vermutlich war das Mädchen die Herausgeberin einer Zeitschrift und hat eine Reihe von Kurzgeschichten mit ihm diskutiert. Ich glaube, Herausgeber tätscheln ihren Autoren immer die Wange. Es schafft eine freundschaftliche Atmosphäre.«
Es machte Jerry große Mühe, das Kinn zu recken und die Schultern hochzuziehen, aber er schaffte es. Das Bewußtsein, ein guter, ehrlicher Mann zu sein, der zu Unrecht beschuldigt wird, half auch ihm bei der Stärkung des Rückgrats.
»Ich kann alles erklären.«
»Wie kommt es nur«, fragte Penny, und sie schien einen vorbeifiegenden Schmetterling anzusprechen, »daß Männer immer diesen Satz sagen?«
»Ich sage ihn«, erwiderte Jerry standhaft, »weil er wahr ist. Das Mädchen, mit dem du mich gesehen hast, war Gloria Salt.«
»Hübscher Name. Eine deiner Freundinnen?«
»Eine sehr liebe Freundin.«
»Mir schien auch, daß ihr euch gut versteht.«
»Sie hat zweimal meine Wange
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