Schweinsgalopp
herein! Wenn der echte Schneevater nicht bald eintrifft, findet er keinen Platz mehr.«
ER WIRD UNS KEINEN BESUCH ABSTATTEN, sagte Tod. Das Kissen rutschte ganz unter seinem Mantel hervor und fiel auf den Teppich.
»Oh, und warum nicht?« erwiderte Susanne. »Die beiden Kinder haben ihm Briefe geschrieben. Und es gibt gewisse Regeln .«
JA. ES GIBT REGELN. UND DIE NAMEN STEHEN AUF DER LISTE. ICH HABE SIE ÜBERPRÜFT.
Albert nahm den spitzen Hut vom Kopf und spuckte Ruß.
»Stimmt«, bestätigte er. »Das hat er tatsächlich. Zweimal. Gibt’s hier was zu trinken?«
»Warum bist du hier?« wandte sich Susanne an ihren Großvater. »Wenn du aus beruflichen Gründen gekommen bist, muß ich dich auf die Geschmacklosigkeit deiner Kleidung hinweisen…«
DER SCHNEEVATER IST… INDISPONIERT.
»Indisponiert? In der Nacht vor Silvester?«
JA.
»Warum?«
ER IST… NUN, DIE SPRACHE DER MENSCHEN ENTHÄLT KEIN GEEIGNETES WORT, UM SEINEN EXAKTEN ZUSTAND ZU BESCHREIBEN. LASS ES MICH SO AUSDRÜCKEN: ER IST… TOT.
Susanne hatte nie einen Strumpf an den Kamin gehängt, nie nach den Eiern der Seelenkuchenente gesucht. Sie hatte nie einen Zahn unter ihr Kopfkissen gelegt und auf den Besuch einer Fee gehofft.
Es lag keineswegs daran, daß ihre Eltern nicht an solche Dinge glaubten. Sie brauchten gar nicht an sie zu glauben, denn sie wußten, daß sie existierten. Was sie bedauerten.
Natürlich gab es Geschenke, genau zur richtigen Zeit, mit exakten Hinweisen darauf, von wem sie stammten. Am Seelenkuchenmorgen fand Susanne ein prächtiges Ei, mit Süßigkeiten gefüllt. Jeder Milchzahn wurde mit einem Ankh-Morpork-Dollar bezahlt, ohne daß irgend jemand Fragen stellte. 12 Aber die ganze Angelegenheit blieb ohne Geheimnisse.
Damals ahnte Susanne nicht, daß ihre Eltern versuchten, sie zu schützen. Erst später erfuhr sie, daß ihr Vater eine Zeitlang Tods Lehrling und ihre Mutter seine Adoptivtochter gewesen war. Vage erinnerte sie sich daran, daß sie einige Male jemanden besucht hatte, der recht freundlich gewesen war, wenn auch auf eine andere sonderbar dünne Weise. Und dann hörten die Besuche plötzlich auf. Später begegnete sie Tod erneut, und ja, er hatte seine guten Seiten, und eine Zeitlang fragte sie sich, wieso ihre Eltern so herzlos sein konnten…
Inzwischen wußte Susanne, warum Vater und Mutter versucht hatten, weitere Kontakte zwischen ihr und Tod zu verhindern. Genetik bestand nicht nur aus sich hin und her drehenden Spiralen.
Sie konnte durch Wände gehen, wenn ihr keine andere Wahl blieb. Sie konnte mit einer Stimme sprechen, die mehr nach Taten als nach Worten klang, die in andere Personen hineinreichte und in ihnen alle richtigen Schalter umlegte. Und ihr Haar…
Nun, früher war es immer sehr widerspenstig gewesen. Doch das änderte sich, als Susanne siebzehn wurde – seit dieser Zeit brachte sich ihr Haar selbst in Ordnung.
Was sie die Freundschaft einiger junger Männer kostete. Wenn sich das Haar plötzlich zu einer neuen Frisur anordnet, wenn Zöpfe und Locken Tentakeln gleich in Bewegung geraten… dann fällt ziemlich kaltes Eis auf die beginnende Glut der Leidenschaft.
Aber sie machte Fortschritte. Manchmal vergingen Tage, ohne daß sie sich anders fühlte als ein normaler Mensch.
Doch so etwas blieb nie ohne Zwischenfälle. Man konnte in die Welt hinausgehen und sich dort jenes Leben schaffen, das man sich wünschte. Aber irgendwann tauchte irgendein peinlicher alter Verwandter auf.
Der Gnom brummte und fluchte, kletterte aus einem weiteren Abflußrohr, zog sich den Hut fest auf den Kopf, warf seinen Beutel auf eine Schneewehe und sprang hinterher.
»Das Ding hat’s in sich«, murmelte er. »Ha, bestimmt braucht er Wochen, um es loszuwerden!«
Er holte einen zerknitterten Zettel aus der Tasche und sah kurz darauf hinab. Dann blickte er zu einem älteren Mann, der wortlos am nächsten Haus arbeitete.
Er stand an einem Fenster und malte etwas mit großer Sorgfalt auf das Glas.
Der Gnom schlenderte neugierig näher und spähte kritisch zur Fensterscheibe empor.
»Warum nur Farnmuster?« fragte er nach einer Weile. »Sie sind hübsch, ja, aber für Farne allein würde ich nicht auch nur einen Cent in deinen Hut werfen.«
Die Gestalt drehte sich mit dem Pinsel in der Hand um.
»Zufälligerweise mag ich Farne«, erwiderte Ferdinand Frost kühl.
»Aber die Leute erwarten Kinder mit großen, traurig blickenden Augen, Kätzchen, die aus Stiefeln gucken, kleine Hunde… etwas
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