Schweinskopf al dente - Falk, R: Schweinskopf al dente
ersehnte Ende der bitteren Fastenzeit einläutet. Wobei Ostern selber jetzt nicht so direkt der Brüller ist. Jedenfalls nicht bei uns daheim. Und das liegt in erster Linie an dem Lamperl, das die Oma an jedem dämlichen Ostersonntag kocht. Ein Lamperl ist ein Lamm, und es ist zum Kotzen für meinen Geschmack. Ich würd sogar sagen, es ist die absolute Krönung der Fastenzeit, bevor es dann endlich wieder zu genießbaren Mahlzeiten übergeht. Weil die Oma aber verdammt empfindlich ist, was ihre Kochkunst anbelangt, stopft man halt selbst das Lamperl in sich rein, koste es, was es wolle.
Oder man hat einen Alternativplan. Und glücklicherweise hab ich den heuer. Und zwar in Form vom Richter Moratschek. Weil ich den nämlich überzeugen hab können, einmal nach seinem Weiblein zu schauen. Grad jetzt so zum Osterfest. Nicht, dass die noch weiß-der-Himmel-was treibt. Zuerst hat er ja gezögert, der ehrenwerte Richter. Weil ihm natürlich die Sorge um seine eigene Person der um seine Liebsten in nichts nachsteht. Schließlich aber hat doch glasklar seine Eifersucht gesiegt. Und drum machen wir uns heut eben auf den Weg nach Bad Wörishofen. Schließlich läuft ja der Küstner noch immer frei herum.
»Eine solche Mordsarbeit hab ich mir gemacht, und jetzt ist keiner zum Essen da«, schreit uns die Oma noch hinterher. Aber es hilft ihr alles nichts. Wir sind quasi schon weg. Der Moratschek liegt flach wie eine Flunder im Fond |106| des Wagens, und der Ludwig sitzt neben mir, hechelt und schaut aus dem Fenster.
Natürlich ist die Frau Moratschek über unser Erscheinen nicht informiert. Sonst wär es ja Essig von wegen: in flagranti. In dem Kur-Kaff angekommen, kauft der Moratschek erst einmal einen großen Strauß Rosen. Weil: es schaut dann mehr nach Besuch aus als wie nach Kontrolle, sagt er. Vermutlich hat er recht. Allerdings nimmt er keine roten, sondern gelbe. Das hat so was Unverbindliches, sagt er weiter. Ein schlauer Mann, muss man schon sagen. Dann macht er sich auch gleich auf den Weg zum Kurhotel, wobei er den Strauß wie einen Schutzschild vor sich herträgt. Ich dreh inzwischen mit dem Ludwig eine Runde durch den Park und pass tierisch auf, dass er keinen bleibenden Eindruck auf den gepflegten Anlagen hinterlässt. Alles picobello hier. Ich setz mich auf eine Bank und blinzle in die laue Aprilsonne. Das ist großartig. Es dauert gar nicht lange, und der Richter naht im Schatten gelber Rosen. Er setzt sich zu mir her.
»Eberhofer«, flüstert er.
Glaubt der, wir werden abgehört?
»Ja?«, flüstere ich zurück und suche ebenfalls Deckung hinter dem Rosenbusch.
»Lassen Sie das«, schnauft mein Banknachbar.
Ich muss lachen.
»Sie ist nicht im Hotel. Die Frau am Empfang sagt, dass heute überhaupt keine Anwendungen stattfinden. Und sie weiß auch nicht, wo sie sein könnte.«
»Vermutlich ist sie wieder spazieren.«
»Sehr witzig. Was zum Henker machen wir jetzt?«
»Erst mal gemütlich Essen gehen«, schlag ich vor.
Wir wandern also los und finden ein kleines feines Lokal mit hervorragender Küche. Ein Grillteller mit Pommes |107| und Kräuterbutter. Junger Salat dazu. Wunderbar. Gut, ein bisschen fad gewürzt vielleicht, halt exakt auf empfindliche Seniorenkehlen, aber ansonsten einwandfrei. Da scheiß ich auf das Lamperl von der Oma. Sie möge es mir verzeihen.
Nach dem Essen sucht der Moratschek weiter nach seiner abgängigen Hälfte, und ich umkreise die Kuranlage. Sehr schön hier, wirklich. Da kann man schon gut einmal krank werden, wenn man dabei hier abhängen kann.
Und dann passiert es.
Es passiert, und zwar in einem solchen Affentempo, dass selbst ich völlig überrumpelt bin. Im ersten Moment weiß ich gar nicht, was ich machen soll. Im zweiten Moment weiß ich es immer noch nicht, finde aber zum Glück einen Busch, in den ich kriechen kann. Leider ist es ein Dornenbusch, und der Ludwig will nicht mit hinein. Also bleibt er davor stehen und winselt. Ganz toll, wirklich. Ich taste vorsichtig nach meiner Waffe. Aber jetzt hab ich immer noch nicht erzählt, was eigentlich los ist. Aber Moment einmal, grade kommt ein Dialog:
»Schauen Sie mal, Frau Moratschek«, sagt der Küstner und kommt auf mich zu. »Der Arme ist ja ganz allein unterwegs.«
Er steht jetzt direkt vor dem Ludwig und streckt langsam seine Hand nach ihm aus. Er ist keinen Atemzug mehr von mir entfernt und trägt wieder diese schmalen Slipper. Ich hab die Pistole in der Hand, kann mich aber leider kein bisschen bewegen.
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