Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
Vom Netzwerk:
Robert Amadio erzählte Baumer, dass er gerade aus Paris gekommen sei, wo er seit mehr als zwanzig Jahren als Directeur lebe. Er sei hergeeilt, um die Beerdigung seiner Mutter zu organisieren. Der Mann saß aufrecht am Tisch und berichtete, wie er von seiner Sekretärin informiert worden war, dass die Polizei in Basel ihn um einen Rückruf gebeten habe.
    Der Kommissar fand bemerkenswert, wie gefasst der Sohn des Mordopfers war. Wahrscheinlich hatte er schon Zeit gehabt, den ersten Schock zu bewältigen. Vielleicht hatte er auch unbewusst damit gerechnet, dass irgendwann ein Telefon kommen würde, um ihm mitzuteilen, dass seine bereits recht betagte Mutter – leider, leider – verstorben sei. Aber Mord?
    »Wer macht so was? Was ist das für ein Spinner?«, entfuhr es jetzt doch dem kontrollierten Amadio. Dann schüttelte er energisch den Kopf. »Ich verstehe es nicht.« Schließlich versank er in Nachdenklichkeit.
    Baumer sah auf den Mann vor sich, musterte ihn insgeheim. Robert Amadio hatte ihm bereits ein paar Hinweise gegeben, die er für seine Arbeit brauchte. Die Sekretärin hatte ihn also informiert, so Amadio. Die war sein Alibi für die Tatzeit. Allerdings müsste man auch die Frau überprüfen. Vielleicht war sie seine Geliebte und Teil des Mordplans, um ihm ein Alibi zu verschaffen, während er in Basel seine Mutter ermordete.
    »Dumme Vermutungen«, mischte sich plötzlich die alte Amadio ein. »Mein Robert macht doch so was nicht.«
    Baumer getraute sich nicht, der Ermordeten in seinem Kopf zu widersprechen. Sowieso hatte sie wahrscheinlich Recht. Die Polizei hatte ihn in Paris erwischt. Das würde er nicht berichten, wenn es nicht wahr wäre. Wobei. Der TGV von Basel nach Paris braucht nur wenig mehr als 3 Stunden.
    Baumer musste über Amadio mehr in Erfahrung bringen. Er brauchte Hinweise und Spuren zum Mord und begann daher das Gespräch, um im gemeinsamen Erzählen einen Schritt weiterzukommen. Er teilte Helens Sohn in der Küche einfach mit, was er selbst wusste. »Ihre Mutter hatte versucht, mich zu erreichen.«
    »So?«, fragte Amadio und zog den Mund zusammen.
    »Sie hatte mir etwas berichten wollen. Wissen Sie davon?«
    Der Pariser Direktor gab sich Mühe, diese Information einzuordnen. Seine Augenbrauen waren gesenkt, seine Kiefer mahlten. Dann sah Baumer, dass sich eine Erkenntnis in die Gesichtszüge von Amadios Gesicht einschlich.
    »Ja, doch. Ich erinnere mich«, sagte der Geschäftsführer einer Buchhaltungsfirma aus Paris. »Meine Mutter hat mich vor ein paar Tagen angerufen. Sie hatte mich gerade in einer wichtigen Sitzung mit einem langjährigen Kunden erwischt, der extra aus der Bretagne angereist war.«
    Baumers Augen gingen auf. Vielleicht hatte dieser Robert von der Vermutung seiner Mutter etwas mitbekommen. Aber er wollte die aufkommende Erinnerung des Mannes nicht unterbrechen. Also nickte er nur und wartete ab, was der Mann zu erzählen hatte. Der fasste sich ans Kinn, rieb es nervös und sagte: »Ich nahm es nicht ernst, was sie sagte.«
    Baumer nickte erneut, aber sein Gegenüber nahm es nicht wahr. Der Sohn von Frau Amadio machte sich bereits Vorwürfe. »Ja … Hhm … Sie kennen das vielleicht. Man kann mit allen Leuten reden. Aber der eigenen Mutter wirklich zuhören? Das fällt manchmal schwer.«
    Baumer hörte gespannt zu, bewegte sich nicht, außer dass er die Aussagen von Amadio immer mit einem Kopfnicken bestätigte. Er murmelte ein zustimmendes Ja, um Amadio die Chance zu geben, weiterzureden.
    »Sie rief mich an«, berichtete Robert Amadio dann, und man spürte förmlich, wie es ihm immer schwerer fiel zu berichten. »Sie erzählte mir, dass etwas Schlimmes vorgefallen sei. Ich fragte, was? Meine Mutter sagte, ihre Freundinnen stürben alle.« Amadio rutschte nach vorne und pendelte wie ein Gorilla von einer Seite zur anderen. Dann gestikulierte er in Richtung Baumer und sagte mit aufgeregter Stimme. »Ich habe natürlich gelacht. Alte Frauen? Die sterben doch dauernd. Das ist ja normal!« Er kicherte erneut, aber es war ein verzweifeltes Lachen.
    Baumer wackelte vorsichtig mit dem Kopf, die Mundwinkel hatte er stark nach unten gezogen, den Mund ein wenig vorgeschoben. Das konnte alles bedeuten. Gemeint war: Vielleicht, vielleicht auch nicht.
    Er hob den Kopf und schaute Amadio wieder direkt an. Es war eine Aufforderung an ihn, mehr von diesem Anruf zu erzählen, vielleicht würde man im Nacherzählen das Ganze verstehen. »Wie ging das Gespräch weiter?« Er legte

Weitere Kostenlose Bücher