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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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erteilten.
    Schließlich klingelte sein Handy.
    »Sie sind unterwegs?«, fragte Große Jäger. »Ich wollte Sie nur informieren. Der Kerl in Flensburg schweigt eisern. Die Kollegen der Bezirkskriminalinspektion haben ihn gestern und auch heute Morgen verhört. Aus dem Burschen ist nichts herauszubekommen. Frosinn ist Profi. Absolut nichts.«
    »Ist die andere Fahndung angelaufen?«, fragte Lüder und erweckte mit dieser Frage das Interesse seines Sitznachbarn, der von seinem Kartenspiel aufsah und Lüder jetzt selbst von der Seite betrachtete.
    »Es läuft auf Hochtouren«, erklärte Große Jäger. »Die örtlichen Dienststellen sind eingeschaltet. Das MEK aus Kiel ist involviert, und in Wechselschicht werden die letzten Aufenthaltsorte der beiden observiert. Wir arbeiten an Verbindungen zu anderen auffällig gewordenen Straftätern, um zu prüfen, wie viele möglicherweise noch mit in diesen Fall verwickelt sind.«
    »War die letzte Nacht ruhig?«
    »Relativ«, erwiderte Große Jäger. »Wie ich es sehe, waren es nur Nachahmer und Trittbrettfahrer. Ich konnte jedenfalls keine Tat erkennen, die unserer Gruppierung zuzuordnen wäre.«
    Der neugierige Nachbar hatte sich ein wenig zu Lüder herübergelehnt und begaffte ihn nun mit offenem Mund, aus dem immer noch das Aroma des Käsebrötchens unangenehm herausströmte.
    »Ist der Täter für die letzten siebzehn Morde mit der Kettensäge inzwischen dingfest gemacht?«, sagte Lüder betont laut.
    »Hä?«, hörte er Große Jäger aus dem Lautsprecher. Dann schien der Oberkommissar zu jemand anderem im Hintergrund zu sprechen. »Das ist LüLü«, erklärte er leise. »Der sitzt im ICE. Ich glaube, bei ihm im Zug ist wieder einmal die Klimaanlage ausgefallen.«
    Lüder schmunzelte vergnügt. Seine Frage hatte nicht nur den Oberkommissar verwirrt, sondern auch die Aufmerksamkeit zahlreicher Mitreisender auf sich gezogen. Hinter sich hörte er die Stimme eines Mannes, der zuvor unentwegt über »Den haben wir an der Leine. Nächste Woche unterschreibt er den Vertrag. Ich bin am dransten« parliert hatte, sagen: »So ein Spinner.« Das war eindeutig auf Lüder bezogen.
    »Ruf mich nicht wegen jedem einzelnen Toten an, sonst komme ich nicht mehr vom Telefon«, sagte Lüder und klappte sein Handy zusammen. Mit Genugtuung registrierte er, dass die aufdringlichen Telefonate in seiner Umgebung fortan leiser und diskreter geführt wurden.
    Der Zug hatte etwa fünfundzwanzig Minuten Verspätung, als sie Frankfurt am Main erreichten. Zuvor konnte Lüder noch einmal einen Blick auf die grandiose Kulisse der Wolkenkratzer genießen, der sich in dieser Weise in Europa nur in Frankfurt bot und Erinnerungen an Amerika wach werden ließ.
    Der Frankfurter Hauptbahnhof erwies sich als riesige Baustelle. Der Bahnsteig 6 war noch mit einem hässlichen gelblichen Plattenbelag versehen, während an anderer Stelle eifrig gebaut wurde.
    Es wimmelte von Menschen, die wie in einem Ameisenhaufen durcheinanderwuselten. Lüder kreuzte den Querbahnsteig, folgte dem Strom ein Stück und bog dann rechts in die Haupthalle mit dem hohen Tonnengewölbe ein. Er wunderte sich über die vielen Buden und Kioske, die überwiegend Essbares anboten, als gäbe es in ganz Frankfurt keine anderen Möglichkeiten der Nahrungsaufnahme und alle Hungrigen wären gezwungen, sich hier zu versammeln. Die Rolltreppe führte ihn in eine tiefer gelegene Ebene, in der es ebenfalls von Fresstempeln wimmelte. Wenigstens gab es hier eine große Apotheke, stellte Lüder fest, in der man sich vor Ort mit Medikamenten versorgen konnte, falls einem bei der Vielzahl gastronomischer Angebote doch übel werden sollte.
    Die Rolltreppe ins nächste Untergeschoss war in einen Stahlsarg gehüllt. Vermutlich waren die Herren des Bahnhofs es leid, sie ständig reparieren zu müssen.
    Auf der Treppe, die Lüder wieder ans Tageslicht führte, kauerte ein Pärchen, dem das Junkiedasein von Weitem anzusehen war.
    »Hast du mal …?«, setzte der junge Mann mit den Geschwüren im Gesicht an und hielt dabei seine heftig zitternde Partnerin fest im Arm. Er brach seinen Satz ab, als Lüder abwinkte.
    Lüder folgte dem Fußweg unter Arkaden entlang, warf einen Blick auf das Büro einer Fluglinie und passierte ein gut frequentiertes Geschäft, das asiatische Lebensmittel anbot. In der Ferne sah Lüder den markanten Messeturm mit der pyramidenförmigen Spitze. Das Sandsteingebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite war ein Musterbeispiel für

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