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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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»Ihnen war doch bewusst, dass es Aufruhr gibt, wenn Sie ausgerechnet hier in Gaarden öffentliche Missionierungsarbeit leisten wollen.«
    »Toleranz?«, ereiferte sich Berchelmann. »Das sollten Sie denen erklären.«
    Es war eine unfruchtbare Diskussion, die zu nichts führen würde.
    »Schade«, sagte Große Jäger zum Abschluss, »dass Ihre Schlägertruppe um Heinrich Frosinn nicht dabei war. Das hätte einen munteren Schlagabtausch gegeben.«
    »Ach, hören Sie doch auf«, winkte Berchelmann ab und versuchte das Häuflein seiner Anhänger zum Rückzug zu sammeln.

ACHT
    Margit hatte am Vorabend die Nachricht, dass Große Jäger nach Husum zurückkehren würde, mit großer Begeisterung aufgenommen. Auch Thorolf und Viveka konnten der Rückkehr der Normalität im Hause Lüders etwas abgewinnen, während Sinje und Jonas es aus unterschiedlichen Gründen zu bedauern schienen. Für Kinder war die Abweichung vom Alltag stets ein kleines Abenteuer.
    Margit war noch vor Lüder aufgestanden, hatte das Frühstück liebevoll zubereitet, ihm belegte Brötchen für die Fahrt mitgegeben und ihn sogar zum Hauptbahnhof gefahren.
    An einem Kiosk hatte Lüder einen Pappbecher mit Kaffee erstanden. Auf seine Frage, ob er statt eines »Coffee to go« auch einen »Coffee to drink« bekommen könne, hatte ihn die junge Frau hinterm Tresen irritiert angesehen, durch die Nase mit dem Piercing geschnaubt und auf das große Schild gezeigt.
    »Haben wir nicht«, hatte sie erklärt. »Bei uns gibt es nur ›Koffi tu goh‹.« Lüder hatte darauf verzichtet, nach der genauen Definition zu fragen, wie er es gelegentlich zu Margits Leidwesen an anderer Stelle tat. Er habe keine Karre, sondern ein Auto. Ob er trotzdem zum »Car Wash« müsse, hatte er in der Tankstelle wissen wollen.
    Jetzt verzichtete er auf weitere Spitzen gegen die immer weiter um sich greifenden Anglizismen, die seiner Meinung nach von vielen Menschen gar nicht verstanden wurden.
    Der durchgehende ICE von Kiel nach Frankfurt war gut, aber nicht übermäßig besetzt. Lüder hatte den Eindruck, dass die Mehrheit der Reisenden Arbeitnehmer waren, die den Zug bis Hamburg nutzen wollten.
    Pünktlich um Viertel vor sieben verließ der ICE den Kieler Hauptbahnhof. Nach einem Zwischenhalt in Neumünster und im Dammtorbahnhof erreichten sie die große Halle des Hamburger Hauptbahnhofs. War die Fahrt bis hierher ruhig verlaufen und hatten viele der Reisenden die Zeit für ein kleines Nickerchen genutzt, so entstand hier viel Unruhe.
    Menschen mit Aktenkoffern und Notebooktaschen über der Schulter drängten in den Zug, dazwischen Reisende mit umfangreichem Gepäck, das den Anschein erweckte, als würden sie für den Umzug in eine fremde Stadt den Spediteur sparen wollen.
    Rücksichtslos drängten die Leute in den schmalen Gang, prallten die Massen, die sich im engen Zug begegneten, aufeinander. Es wurde nahezu um die Plätze gekämpft, insbesondere um jene, die vor sich einen kleinen Tisch hatten und an den Seiten Steckdosen für den Notebookanschluss. Wer schnell genug war, breitete sein mobiles Büro ohne Rücksicht auf andere Fahrgäste aus.
    Der ICE hatte den Bahnhof kaum verlassen, als, so schien es Lüder, Hunderte von Mobiltelefonen gezückt wurden, um die bedeutsamste Nachricht des jungen Tages zu verkünden: »Ich sitze jetzt im Zug.«
    Kein Wunder, dass die Wirtschaft nicht floriert, dachte Lüder, wenn sie von solchen Leuten dominiert wird. Er musste ein letztes Mal seinen Sitzplatz verteidigen, als ein smarter Managertyp den Platz beanspruchte, weil er eine »Bahncard mit Bahncomfort« habe und diese Plätze angeblich für solche Leute reserviert seien.
    »Ich reise im Namen der Königin«, hatte Lüder geantwortet. Sprachlos war der Mann weitergezogen.
    Neben Lüder hatte sich ein korpulenter Mann niedergelassen, der zunächst ein Käsebrötchen aß und dann sein Notebook auf den Knien ausbreitete.
    Der Mann warf Lüder mehrfach einen bösen Blick zu, weil Lüder ungeniert auf den Bildschirm starrte. Der Mann sah sich mehrere Mails an, dann ging er dazu über, sich die Zeit mit einem elektronischen Kartenspiel zu vertreiben.
    Der Waggon des Zuges erwies sich in der Folgezeit als rollendes Großraumbüro, zumindest was die Handynutzung der Mitreisenden anbetraf. Lüder saß inmitten der wichtigsten Businessleute Deutschlands, die Termine per Telefon koordinierten, nach »Herrn Sowieso« fragten oder einer »Frau Meyer, hören Sie …« Anweisungen

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