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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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erklärte Lüder.
    »Na denn – viel Spaß.« Dann strauchelte der Beamte, weil er einen Stoß ins Kreuz bekommen hatte. »He, he!«, rief er und wandte sich den nächsten Störenfrieden zu.
    Große Jäger hatte sich ins Zentrum der Auseinandersetzung gedrängt. Lüder sah, wie der Oberkommissar einen der Jugendlichen, denen sie bei einem früheren Besuch im Stadtteil begegnet waren, am Kragen packte, den jungen Mann schüttelte und dann unmissverständlich aus dem Ring schob. Yasin, so erinnerte sich Lüder, schien von Große Jäger so beeindruckt, dass er nicht mehr in das Geschehen eingriff. Ähnlich erging es zwei anderen Jugendlichen.
    Lüder benutzte seine Ellenbogen und zwängte sich durch die Enge, bis er Berchelmann erreichte. Der selbst ernannte Pastor hatte sich krumm gemacht und die Ellenbogen schützend vor das Gesicht gelegt. Aus der Nähe sah Lüder, wie zwei Jugendliche auf Berchelmann eindroschen. In diesem Moment trat der eine einen halben Schritt zurück und nahm Schwung, um Berchelmann mit seinen schweren Springerstiefeln zu treten. Das hatte trotz seiner Beschäftigung mit anderen Teilnehmern der Auseinandersetzung auch Große Jäger gesehen. Blitzschnell, was man ihm in Anbetracht seiner Körperfülle nicht zugetraut hätte, trat der Oberkommissar dem Angreifer in die Hacken, dass er stolperte, die Arme ausstreckte und gegen Berchelmann fiel. Dabei umarmte er den Pastor.
    »Ist doch viel besser so«, sagte Große Jäger grinsend. »Ihr müsst euch nur richtig lieb haben.«
    Der Jugendliche richtete sich auf und wollte sich auf Große Jäger stürzen, doch der Oberkommissar schnellte vorwärts, packte den jungen Mann um den Oberkörper und presste ihn an sich.
    »Du bist einfach zu doof«, sagte Große Jäger. »Dir fehlt die Bildung. Noch nie Bud Spencer gesehen?« Dann versetzte er ihm einen Stoß. »Hau ab«, rief er ihm hinterher. »Sonst kommst du auf den Spieß und wirst morgen Döner.«
    Der Angreifer zeigte Große Jäger den ausgestreckten Mittelfinger, eine Geste, die unter manchen Autofahrern fast als gesellschaftsfähig galt, und suchte dann doch sein Heil in der Flucht, als der Oberkommissar einen Ausfallschritt in seine Richtung machte.
    »Pfeifen Sie Ihre Leute zurück!«, schrie Lüder Berchelmann an.
    »Die haben angefangen. Wir haben hier nur die christliche Botsch …« Weiter kam er nicht, weil er sich eine Ohrfeige einfing.
    »Das ist pure Gewalt. Da sehen Sie es«, rief Berchelmann und versuchte, sich weiter zu schützen. Doch es folgten keine weiteren Angriffe auf ihn.
    Langsam zogen sich die überwiegend jugendlichen Angreifer zurück, von denen auffallend viele mit Kapuzenpullis bekleidet waren. Ihre Ehre gebot es, dass sie dabei Schmähungen und Drohungen gegen die Polizei, Lüder, Große Jäger und Berchelmann und seine Truppe ausstießen.
    Ein Gemeindemitglied blutete aus der Nase, einer Frau war der Mantel zerrissen worden, eine Gitarre war am Steg zerbrochen und die zweite wies auch Schäden auf.
    »Ich verlange, dass Sie die Täter verhaften«, keifte Berchelmann. »Unternehmen Sie etwas.«
    »Das regeln unsere Kollegen«, sagte Lüder, drückte einem uniformierten Beamten seine Visitenkarte in die Hand und bat ihn, er möge sich mit ihm in Verbindung setzen zur Nachbearbeitung des Vorfalls, was nichts anderes hieß als die Erledigung des leidigen Papierkriegs.
    »Was haben Sie hier eigentlich gewollt?«, fragte Lüder Berchelmann.
    »Wir haben die Frohe Botschaft verkündet«, erwiderte der Schleswiger und versuchte, seine ramponierte Kleidung zu richten.
    »So froh schien die Gegenseite Ihre Botschaft aber nicht aufgefasst zu haben.«
    »Ich sage seit Langem, dass es so nicht weitergehen kann. Wo kommen wir hin, wenn wir in der Adventszeit nicht von der Geburt des Gottessohnes künden dürfen?«
    »Warum kommen Sie ausgerechnet hierher? Das hätten Sie auch bei sich in Schleswig machen können oder drüben, in der Holstenstraße.« Lüder meinte damit die Kieler Innenstadt auf der gegenüberliegenden Seite der Förde.
    »Ist es nicht besonders wichtig, den wahren Glauben denen zu bringen, die irren?«
    »Das Problem ist nur, dass die andere Seite auch der Überzeugung ist, den einzig wahren Glauben zu haben. Da gelten Sie als der Ungläubige.«
    »Das wird ein Nachspiel haben«, schimpfte Berchelmann. »Wo kommen wir denn hin, wenn wir uns in unserem eigenen Land nicht mehr äußern dürfen.«
    »Haben Sie schon einmal etwas von Toleranz gehört?«, fragte Lüder.

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