Schwelbrand
Tür wieder geöffnet wurde und ein Mann mit vollem silbernem Haar erschien. Er hatte eine eher gedrungen wirkende Figur. Seine Frau stand jetzt halb versetzt hinter ihm.
»Polizei?« Er hob fragend eine Augenbraue in die Höhe, als hätte er Zweifel an dem, was ihm seine Frau ausgerichtet hatte.
»Wir kommen vom Landeskriminalamt aus Kiel und hätten ein paar Fragen an Sie.«
»Um was geht es denn?«
»Können wir das im Haus besprechen?«
Aasgaard zögerte einen Augenblick, als würde er abwägen, ob er die beiden Beamten einlassen sollte. Dann öffnete er die Tür ganz und sagte: »Kommen Sie.«
Er führte sie durch eine geflieste Diele, die von einem schweren geschnitzten Schrank aus dunklem Holz dominiert wurde. In einer Ecke stand eine Truhe, vor der ein Heuballen lag, der mit landwirtschaftlichen Geräten dekoriert war. Zumindest die Sense erkannte Lüder. Ein Spinnrad, eine bemalte Milchkanne und weiterer nahezu folkloristisch anmutender Zierrat schmückten die Diele. Auf Lüder wirkte es wie ein von einem Bühnenbildner für einen Heimatfilm hergerichtetes Areal.
Der Raum, in dem Aasgaard ihnen Platz auf einer grün gepolsterten schweren Sitzgruppe anbot, war mit dicken Teppichen ausgelegt. Auch hier fanden sich die dunklen Möbel mit den reichen Verzierungen wieder. Hinter den bleiverglasten Fenstern einer Vitrine erkannte Lüder Zinnteller und Becher. Von den Wänden grüßten ebenfalls düster wirkende Bilder mit Jagdmotiven und bäuerlich aussehenden Männern und Frauen. Lüder vermutete, dass es eine Art Ahnengalerie war.
Aasgaard trug eine dunkle Stoffhose und einen beigefarbenen Pulli, unter dem die Kragen eines sandfarbenen Hemdes hervorlugten. Lüder vermutete, dass der Pullover aus feinster Kaschmirwolle war. Der Mann unternahm gar nicht erst den Versuch, seinen Wohlstand zu verbergen. Sie wurden kurz abgelenkt, als die schwere Standuhr mit dem Westminsterschlag die nächste Viertelstunde ankündigte.
Lüder sah sich demonstrativ um. »Gediegen haben Sie es hier«, sagte er, obwohl das Düstere der Einrichtung nicht seinem Geschmack entsprach. »Das sieht altdeutsch aus und hat keine Ähnlichkeit mit dem leichten und lockeren dänischen Stil.«
Aasgaard musterte Lüder misstrauisch aus zusammengekniffenen Augen. »Das ist alter Familienbesitz.«
»Seit wann sind Sie hier ansässig?«
»Seit vielen Generationen.«
»Und dabei haben Sie den steten Wechsel zwischen den unterschiedlichen Herrschern erleben müssen. Mal dänisch, mal preußisch.«
Aasgaard sah demonstrativ auf seine Armbanduhr. »Sie wollen mit mir nicht über die Geschichte des Landes sprechen.«
»Es gibt Anzeichen dafür, dass bei den guten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Dänen und Deutschen etwas aus dem Ruder laufen könnte«, sagte Lüder.
»Blödsinn. Was für Anzeichen?«
Als Lüder nicht antwortete, hob Aasgaard kurz seine Hände in die Höhe und zeigte auf sich. »Ah, ich verstehe. Weil ich ein kritischer Geist bin, wollen Sie mich durchleuchten. Geht es jetzt wieder los? Ich meine, dass die Polizei die politische Gesinnung abfragt.«
»Die Polizei ist dafür da, Verstöße gegen Recht und Gesetz zu verfolgen. Haben Sie etwas getan?«
»Wie kommen Sie darauf? Liegt etwas gegen mich vor?«
»Nein«, sagte Lüder. »Es ist Ihr gutes Recht, kritisch zu sein. Und damit es so bleibt, gibt es uns.«
Erneut sah Aasgaard auf seine Armbanduhr. Dann zupfte er sich die Bügelfalte zurecht. Lüder war nicht entgangen, dass der Mann nervös war.
»Ich habe kein Vertrauen mehr in diesen Staat. Auch nicht in Sie. Es wird vieles von dem zunichtegemacht, was die klugen Väter des Grundgesetzes bezweckt haben. Nehmen Sie das Post- und Fernmeldegeheimnis. Da hatte man tatsächlich vor, den Lauschangriff auf nur vage Verdächtige zu starten. Man nannte es akustische Wohnraumüberwachung. Haben Sie vergessen, dass man sich in die Computer der Bürger einschleichen wollte? Darf man vermuten, dass manchem unserer Politiker nicht wohl ist bei dem Gedanken, dass das Internet grenzenlose Freiheiten bietet?«
Internet! Ob die Freiheit darin besteht, den Todeskampf eines Menschen zu veröffentlichen?, dachte Lüder im Stillen.
»Da bringen Sie etwas durcheinander«, antwortete er. »Die Freiheit des Internets darf nicht genutzt werden, um dem Terrorismus zu huldigen, Gewalt zu verherrlichen oder Kinderpornografie zu betreiben.«
»Das sind vorgeschobene Argumente. Nur weil es Leute gibt, die die Freizügigkeit
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