Schwelbrand
schüttelte heftig den Kopf. »Sie müssen heraus aus der Provinzialität, global denken. Vernetzt. Verstehen Sie?« Dabei bewegte er seinen Finger auf und ab, bis er ihn schließlich wie einen Degen in Lüders Richtung stieß. »Nicht mehr hier, nein, woanders spielt die Musik. Ich habe mir ein gutes Netzwerk aufgebaut. Dort wird das Geld verdient.«
»Sie meinen also, es reicht«, zitierte Lüder die Unterschrift unter dem halben Landeswappen.
»Richtig! Jetzt ist es genug.« Plötzlich richtete er sich kerzengrade auf. »Was wollen Sie eigentlich von mir? Sind Sie vom Finanzamt?«
»Haben Sie etwas zu verbergen?«, antwortete Lüder mit einer Gegenfrage.
»Sie haben mir immer noch nicht gesagt, aus welchem Grund Sie mich aufgesucht haben.«
Lüder stand auf. »Doch. Wir wollten mit Ihnen sprechen. Und das Gespräch war aus unserer Sicht sehr erfolgreich.«
»Wie? Was?« Aasgaard war die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Voller Zorn begleitete er die beiden Polizisten zur Tür und verabschiedete sich auf betont frostige Weise.
»Was veranlasst solche Menschen, sich dermaßen gegen die Hand zu stellen, die sie füttert?«, fragte Große Jäger im Auto. »Ohne die Infrastruktur dieses Landes wäre der Mann ein Nichts.«
»Viele Menschen vergessen so etwas«, antwortete Lüder. »Aasgaard tritt überheblich auf. Ich möchte wissen, woher er seine Arroganz nimmt. Wir sollten seine Geschäfte durchleuchten.«
»Da sehe ich Schwierigkeiten auf uns zukommen. Wie sollen wir an Daten herankommen? Das zum Thema ›Schnüffelstaat‹.«
Lüder bog auf die Autobahn ein. Es regnete immer noch, und sie kamen nur verhalten vorwärts, da zahlreiche dänische Lkws die Überholspur für sich beanspruchten und erst vor der Rendsburger Hochbrücke auf die rechte Fahrbahn wechselten. Nach dem Abbiegen lief es zügiger.
»Das ist auch eine der Billigautobahnen«, lästerte Große Jäger über den Abzweig nach Kiel. Als Lüder ihn fragend ansah, ergänzte er: »Kein Randstreifen, Geschwindigkeitsbegrenzung. Das wirkt eher wie ein Rübenschnellweg.«
»Glaubst du, ein geteiltes und separatistisches Schleswig-Holstein könnte sich solche Verkehrswege leisten? Ich vermag noch nicht zu erkennen, was die Täter bezwecken wollen. Niemand kann ernsthaft einen Staatsstreich beabsichtigen. Auch ein Lautsprecher wie Mogens Aasgaard hat nicht den Anschluss an Dänemark gefordert. Um was geht es hier?«
»Ist bekannt, welche politische Richtung der Mann favorisiert?«, fragte Große Jäger.
»Er gehört keiner der großen Parteien an. Uns liegen aber auch keine Erkenntnisse über die Hinwendung zu extremistischen Gruppen vor.«
»Er kannte aber die Parole ›Jetzt reicht’s‹.«
»Da bin ich mir nicht sicher«, bezweifelte Lüder. »Die Art, wie er auf mein Reizwort reagierte, muss nicht unbedingt aus der Kenntnis der Parole resultieren. Das könnte auch eine ganz arglos gemeinte Äußerung gewesen sein.«
Der Oberkommissar nickte stumm. Lüder konnte es vage aus den Augenwinkeln wahrnehmen.
Auf der Dienststelle im Landeskriminalamt fand Lüder zahlreiche Nachrichten vor. Dr. Diether von der Rechtsmedizin ließ ihn wissen, dass es noch eine Weile dauern würde, bis man mehr zur Todesursache sagen könnte. »Zumindest wissenschaftlich«, hatte der Arzt angefügt. »Sie als Laie würden mir jetzt erklären, dass die Todesursache eindeutig war: ein Zug.«
Aus Husum lag ein Zwischenbericht vor, dass man dort bei der Suche nach dem Wohnmobil noch nicht weitergekommen war.
Lüder überlegte, ob er Frau Dr. Braun von der wissenschaftlichen Kriminaltechnik anrufen und nach ersten Ergebnissen fragen sollte. Er entschied sich dagegen. Die Kollegen würden ihr Bestes versuchen, und die Leiterin würde Lüder erklären, dass ihre Mitarbeiter an der Grenze der Belastungsfähigkeit arbeiteten. Außerdem hätte Lüder wieder das Hohelied der Klage über die vielen Überstunden ertragen müssen.
Er griff zum Telefon, um die Kurzwahl seines Privatanschlusses zu betätigen und Große Jägers Besuch anzukündigen. Dann zögerte er und legte wieder auf. Die Auseinandersetzung mit Margit wollte er noch ein wenig hinausschieben.
Lüder hatte die Nachrichtenbox fast geschlossen, als ihm noch eine weitere Information auffiel, die er zunächst als unbedeutend angesehen hatte. Man hatte herausgefunden, wer den Film über den Mord an Asmussen ins Internet eingestellt hatte. Leider hatten die Kollegen noch nicht feststellen können, wie der
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