Schwelbrand
missbrauchen, was ich ausdrücklich verurteile, können Sie doch der Mehrheit keine Fesseln anlegen.« Mit einer fahrigen Handbewegung fuhr sich Aasgaard über die Mundwinkel.
»Das hat auch niemand vor«, sagte Lüder.
»Doch«, beharrte Aasgaard. »Sie können doch nicht alle Männer vorsorglich kastrieren, nur weil sie die Vorrichtung für Vergewaltigungen haben, so schlimm auch jeder Missbrauch ist.«
Lüder kannte die Argumente, die gegen Restriktionen beim freien Datenverkehr vorgebracht wurden. Er hatte nicht vor, mit Aasgaard eine grundsätzliche Diskussion über die Sicherheitspolitik zu führen. Man hatte der Polizei mit dem Verbot der Handy- und Telefonauswertung ein vortreffliches Mittel bei der Verfolgung von Straftaten genommen.
»Das ist doch scheinheilig«, schimpfte Aasgaard. »Dieser Staat drangsaliert seine Bürger. Nehmen Sie die Tabaksteuer. Unter dem Vorwand, etwas für die Volksgesundheit zu tun, wurde kräftig an der Steuerschraube gedreht. Und als das wirkte, stellte der Finanzminister plötzlich fest, dass der Schuss nach hinten losgegangen ist und die Leute tatsächlich weniger rauchten. Hoppla! Schon wurde die nächste Stufe der beschlossenen Erhöhung ausgesetzt, nur damit das Geld wieder fließt.« Mit Daumen und Zeigefinger deutete Aasgaard die Geste des Geldzählens an. »Das Gleiche gilt für das Verbot der Werbung für Glücksspiele. Die Bürger gehorchten, und schon fehlte Geld in den Kassen, da der sich so fürsorglich gebende Staat am meisten beim Glücksspiel absahnt. Und nun? Schleswig-Holstein will plötzlich die Werbung für das Glücksspiel wieder zulassen, auch private Anbieter, nur damit der Rubel wieder rollt.«
»Und weil Ihnen manches missfällt, wehren Sie sich auf Ihre Weise gegen unseren Staat?«, fragte Lüder.
»Was wollen Sie damit sagen? Wollen Sie mir etwas unterstellen? Bin ich es, der vom Grundgesetz abweicht? Nehmen Sie Brüssel. Da wird ein Blödsinn verzapft, den niemand mehr begreift. Einheitliche Größen für Treckersitze. Genormte Kondomgrößen. Der Grad der Biegung für Gurken. Eine einheitliche europäische Kontonummer von zweiundzwanzig Stellen. Wer soll die fehlerfrei niederschreiben?«
»Das ist der Preis für eine europäische Einigung.«
»Quatsch! Sie wollen mir etwas über Recht und Gesetz erzählen? Welche demokratische Legitimation hat Brüssel? Wer hat die Kommission gewählt? Sie? Ich? Niemand. Da hat sich ein bürokratischer Molch verselbstständigt.« Aasgaard hatte sich in Rage geredet. Die Adern an den Schläfen waren hervorgetreten. »Unter dem Vorwand, der Geldwäsche zu begegnen, werden die Konten überwacht. Wenn Sie Ihrer Frau Unterschriftvollmacht für Ihr Girokonto erteilen – bums. Wird alles registriert. Die Volkszählung, Bewegungsbilder durch den Automatismus der Kennzeichenerfassung auf den Autobahnen …«
»Das ist nicht zutreffend«, warf Lüder ein, doch Aasgaard ließ sich nicht unterbrechen.
»Wir werden ein Überwachungsstaat. Nicht mehr der Mensch bestimmt die Demokratie, sondern der Bürger ist zum ohnmächtigen Objekt einer staatlichen Allmacht geworden.«
»Sie haben eine gefestigte Ansicht, die sich nicht mit unserer deckt«, sagte Lüder entschlossen. »Das wird durch die Meinungsfreiheit gedeckt, die auch für Sie gilt. Und allzu schlecht scheint es Ihnen in unserem Land nicht zu gehen, wenn ich mich hier umsehe.« Demonstrativ drehte sich Lüder nach allen Seiten und zeigte mit der ausgestreckten Hand im Zimmer herum. »Das alles ermöglicht Ihnen dieses Land. Und das viel gescholtene Brüssel sorgt für ein gedeihliches Auskommen für Sie als Landwirt.«
»Pah! Typisch. So spricht ein Beamter. Ich habe alles verpachtet und betreibe schon seit Langem keine Landwirtschaft mehr.« Es sollte wie ein überhebliches Lächeln aussehen, geriet aber zu einer fast hilflos wirkenden Mimik.
»Sie leben gut von der Pacht.«
Aasgaard war der Eifer anzusehen, der ihn gepackt hatte. Das rote Gesicht zeugte davon, dass sein Blutdruck angestiegen war. »Können Sie sich vorstellen, dass man sein Geld auch durch geschicktes Wirtschaften verdienen und erfolgreich mehren kann?«
Lüder war zufrieden. Er hatte es geschafft, den Mann zu provozieren. Menschen sind im Zorn eher bereit, etwas zu verraten, als wenn sie jedes Wort wohlüberlegt von sich geben. »Sie nutzen Subventionen, die Ihnen das Land für Windräder und Solaranlagen spendiert.«
»Mit solchem Krümelkram gebe ich mich nicht ab. Nein!« Aasgaard
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