Schwelbrand
Oberkommissar wollte kein Risiko eingehen. Blitzschnell riss er Frosinns rechten Arm nach hinten, dass der Mann aufschrie und sich nach vorn beugte. Das nutzten die beiden Beamten aus, um ihn in die Knie zu zwingen, und bevor er zur Gegenwehr ansetzen konnte, hatten sie ihn auf dem Fußboden fixiert. Behände kniete Große Jäger auf Frosinns Rücken, hielt den rechten Arm bis zur Schmerzgrenze hochgebogen und drückte mit seinem Ellenbogen den Kopf des Mannes auf das Straßenpflaster.
Frosinn versuchte sich freizustrampeln und mit den Füßen um sich zu treten, aber Lüder setzte sich auf die Oberschenkel, sodass alle Bemühungen des Delinquenten ins Leere liefen.
Die ganze Aktion hatte kaum drei Sekunden gedauert und war so schnell abgelaufen, dass die Passanten es kaum mitbekommen hatten. Eine Frau mit mehreren Einkaufstüten konnte nicht mehr stoppen, stolperte über Frosinns Kopf und fiel halb auf den Oberkommissar. Entsetzt schrie sie auf.
Im Nu bildete sich ein Kreis um die Gruppe am Boden.
»Was soll das?«, fragte ein Mann. Seine Stimme verriet die Unsicherheit, ob er zornig oder erstaunt reagieren sollte.
»Haben die den überfallen?«, hörte Lüder jemanden sagen.
»Und das am helllichten Tag«, mischte sich eine andere Stimme ein.
Lüder sah kurz auf. »Polizei«, sagte er. »Rufen Sie bitte die Eins Eins Null an.«
»Mach das doch selbst«, höhnte ein unrasierter jüngerer Mann.
Frosinn spürte, dass die Passanten unterschiedlich reagierten. Mit einem Ruck versuchte er sich zu befreien, aber die beiden Beamten waren darauf eingestellt. Sofort erhöhte Große Jäger den Druck auf das Gesicht des Mannes.
Frosinn schrie laut auf.
»Nun sieh dir die Brutalität an!«, rief eine Frau mit schriller Stimme.
»Muss das sein?«, mischte sich eine andere ein. »Was hat er Ihnen denn getan?«
Lüder hätte den Leuten gern erklärt, dass hier der mutmaßliche Mörder von Jörg Asmussen vor ihnen auf dem Pflaster lag, der den Kollegen unmenschlich mit dem langen Warten auf den ersten Zug gequält und der den Landtagsabgeordneten Karl-Hermann Claussen getötet und ihm dann den Kopf abgetrennt hatte.
»Das kennen wir doch. Prügelnde Polizisten. Stuttgart. Gorleben«, sagte der jüngere Mann, der sich geweigert hatte, Unterstützung anzufordern.
»Wenn die beiden wirklich von der Polizei sind, hat es vielleicht schon seine Berechtigung«, sagte ein älterer Mann vorsichtig. Ein paar Zuschauer stimmten ihm zu.
»Aber doch nicht auf solche Weise«, wiegelte ein anderer die Leute wieder auf.
Immerhin musste doch jemand die Polizei benachrichtigt haben. Es schien Lüder dennoch eine Ewigkeit zu dauern, bis zwei Streifenwagen an den Ort des Zugriffs kamen und die Polizisten sich einen Weg durch den Ring der Neugierigen bahnten.
»Was ist hier los?«, fragte ein bullig wirkender Polizeihauptmeister.
»Lass«, sagte sein Kollege. »Das ist Große Jäger, Husum. Den kenne ich.«
Mit Unterstützung der zweiten Streifenwagenbesatzung gelang es, den wieder wie wild um sich tretenden Frosinn in eines der Fahrzeuge zu bugsieren, nachdem ihm Handfesseln angelegt worden waren.
»Sind Sie Heinrich Frosinn?«, hatte der Oberkommissar gefragt.
»Fick dich«, hatte der Mann geantwortet und Große Jäger angespuckt.
Langsam rollten die beiden Fahrzeuge durch die Fußgängerzone davon, um das markante Polizeigebäude am Norderhofenden anzusteuern.
Heinrich Frosinn wurde in einen Verhörraum geführt. Es folgte die Rechtsbelehrung, die Frosinn teilnahmslos über sich ergehen ließ. Gelangweilt sah er von einem zum anderen.
»Herr Frosinn, Sie werden verdächtigt, am Mord an dem Polizeibeamten Jörg Asmussen sowie am Landtagsabgeordneten Karl-Hermann Claussen mitgewirkt beziehungsweise diese Straftaten selbst ausgeführt zu haben.«
»Arschloch.«
»Wollen Sie sich zu den Vorwürfen äußern?«, fragte Lüder.
»Du mich auch«, antwortete Frosinn. Er bewegte sich emotional zwischen zur Schau gestellter Gelassenheit und an der Schwelle zur Aggressivität.
Bereits bei der Aufnahme der Personalien hatte Frosinn Widerstand geleistet und war erst durch den Einsatz mehrerer Beamter zu bändigen gewesen. Nur die Drohung, ihn in Handfesseln zu verhören, hatte ihn ein wenig ruhiger werden lassen.
Lüder hielt dem Mann die Verdachtsgründe vor, die zu seiner Verhaftung geführt hatten, aber wenn sich Frosinn überhaupt äußerte, dann brachte er Beleidigungen hervor. Seine Wortwahl reduzierte sich fast
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