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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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paar Meter«, erklärte Lüder, als Große Jäger skeptisch guckte. »Dort findet man keine Parkplätze. Und ein wenig Bewegung schadet nicht.«
    »Wollen wir uns auch noch die beiden Fundorte der Leichenteile ansehen?«, fragte der Oberkommissar.
    »Das ist nicht erforderlich«, erwiderte Lüder. »Die Spurensicherung hat gründlich gearbeitet, und die Fundorte dürften nicht identisch mit dem Tatort sein. Wir haben ja schon eine These entwickelt, warum man die Leiche geteilt und vor dem Rundfunk und dem Pressehaus platziert hat. Man will damit Aufmerksamkeit wecken. Mit Gewalt, im wahrsten Sinne des Wortes.«
    Wären nicht die Weihnachtsbeleuchtung und die auf das Fest einstimmende Schaufensterdekoration gewesen, fiele es schwer zu glauben, dass die Adventszeit angebrochen war. Über den Holm und die Fortsetzung, die Große Straße, die einen Großteil der Fußgängerzone in Flensburgs Innenstadt bildeten, hasteten die Passanten, versteckt unter ihren Regenschirmen. Andere hatten wie Lüder die Nase krausgezogen, da sie sich ohne Schutz durch den feinen Nieselregen bewegen mussten.
    Lüder hatte die Hände tief in den Taschen seines Parkas vergraben. Der hochgeschlossene Kragen schützte ihn nur unzureichend vor der Feuchtigkeit. Von Große Jägers Stirn tropfte es unablässig auf die Nasenspitze des Oberkommissars, von dort weiter auf die Oberlippe. Amüsiert sah Lüder, wie Große Jäger gelegentlich die Zungenspitze hervorholte, um den nächsten Tropfen von der Oberlippe abzulecken.
    »Ist es noch weit?«, fragte der Oberkommissar.
    »Noch ein wenig«, erwiderte Lüder.
    »Das ist sehr vage«, murrte Große Jäger. »Zum einen wissen wir nicht, ob die Dame überhaupt etwas mit Frosinn zu tun hat. Falls sie sich kennen, muss es nichts bedeuten, dass sich Frosinn ihren Wagen ausgeliehen hat.«
    »Wenn wir sie nicht fragen, erfahren wir es nicht«, antwortete Lüder.
    »Ich hasse Novemberwetter.« Lüder hatte Verständnis für Große Jägers Missmut. Auch wenn die Menschen, die ihnen begegneten, nicht auf der Suche nach Mördern waren, sahen sie nicht weniger unmutig aus als der Oberkommissar. Lüder konnte nirgendwo eine Spur Vorfreude auf das Weihnachtsfest oder auf die besinnliche Adventszeit feststellen. Nicht nur hier, auch in den Geschäften herrschte ein rauer und nervöser Ton vor. Niemand schlenderte mit Gelassenheit über die Straße.
    »He«, fuhr Große Jäger in dem Moment zusammen, in dem auch Lüder den Mann gesehen hatte, der ihnen entgegenkam. Er trug eine Fleecejacke mit großen roten Karos. Der Kragen war hochgeschlagen, die Baseballkappe tief hinuntergezogen, sodass das Gesicht im Schatten lag. Der kräftig gebaute Mann schritt mit ausgreifendem Schritt in der Mitte der Fußgängerzone und deutete durch sein Auftreten an, dass er den Platz für sich beanspruchte. Sein Verhalten war so aggressiv, dass die Leute ihm freiwillig Platz machten. Wäre er ein paar Meter weiter seitlich gegangen, hätten die beiden Beamten ihn nicht bemerkt.
    Große Jäger hatte automatisch seine Schulter eingezogen, um eine Berührung zu vermeiden, und dabei für den Bruchteil einer Sekunde in das Gesicht des Mannes gesehen, der dem Oberkommissar keine Beachtung schenkte. Auch Lüder hatte den Mann wahrgenommen.
    »Das war er doch«, sagte Große Jäger und blieb abrupt stehen. Auch Lüder vermeinte, Frosinn erkannt zu haben.
    »Das kommt nicht oft vor – Kommissar Zufall«, sagte Große Jäger und drehte sich auf dem Absatz um. Beide Beamten kannten Frosinn nur von den Fotografien aus den polizeilichen Dateien. Es lang an der langjährigen Erfahrung, dass sie den Gesuchten erkannt hatten.
    Sie beschleunigten ihren Schritt und teilten sich, sodass sie Frosinn in die Mitte nahmen. Es war schwierig, weil die Passanten vor den beiden Polizisten nicht zurückweichen wollten. Drei Leute nebeneinander nahmen in der stark frequentierten Fußgängerzone viel Platz in Anspruch. Es musste schnell gehen, bevor die Beamten Aufsehen erregten oder andere Passanten anrempelten. Dann wäre Frosinn, der sicher über einen ausgeprägten Instinkt für brisante Situationen verfügte, gewarnt gewesen. Es war nicht vorhersehbar, wie er reagieren würde. Womöglich war er auch bewaffnet.
    Sie hatten Frosinn erreicht und packten gleichzeitig von beiden Seiten die Oberarme des Mannes, bevor er reagieren konnte. Es war ein fester Griff. Frosinn versuchte sich loszureißen, aber Lüder und Große Jäger hatten seine Arme umschlossen. Der

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