Schwemmholz
Information dann über Stuttgart zu uns? Aber egal. Casaroli, das Opfer des Brandanschlags, kommt tatsächlich aus Kalabrien. Nur würde es mich wundern, wenn die dortige Mafia wegen eines solchen Falles einen Killer schickt. Das sind ja nicht gerade die Rächer der Enterbten.« Er machte eine Pause. Irgendwas geht ihm im Kopf herum, dachte Tamar.
Berndorf wandte sich an Markert, den Chef der uniformierten Polizei. »Wir brauchen deine Leute, um den Sitzungssaal zu sichern. Vorsichtshalber.« Er stand auf. »Ich rufe den Landgerichtspräsidenten an. Er hat ja das Hausrecht.«
Der Aushang mit der Tagesordnung der Vierten Zivilkammer war mit Terminen voll gestopft. Irgendwo dazwischen war auch die Klage dreier Hauseigentümer gegen die Baufirma Haun & Nachfolger aufgeführt. Die Verhandlung hätte um
zehn Uhr beginnen sollen, doch im Sitzungssaal ging es gerade um eine defekte Melkanlage und darum, welche Schäden die Huftritte missgelaunter Kühe anrichten.
»Es ist immer das Gleiche mit dieser Kammer, sie haben ihren Terminplan noch niemals eingehalten und werden es auch in alle Ewigkeit nicht tun«, sagte Rechtsanwalt Simpfendörfer zu seinem Mandanten Jörg Welf. Simpfendörfer trug eine silberfarbene Juristen-Krawatte zu einem karierten Jackett von leicht verblichener Eleganz. »Unser Fall wird frühestens in anderthalb Stunden aufgerufen.«
Welf betrachtete die Krawatte. »Da hätten Sie mich aber vorwarnen können«, sagte er. »Ich hasse es, zu warten.« Sie standen auf dem Flur, der am östlichen Treppenhaus vorbeiführte. Einige Meter entfernt von ihnen steckte die Gegenpartei die Köpfe zusammen, zwei Ehepaare und eine einzelne ältere Frau mit ihren Anwälten. Sie sprachen halblaut, und immer wieder sah eine der Frauen zu ihnen herüber.
Simpfendörfer breitete entschuldigend die Hände aus. »Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.«
»Das ist leider genau der Vergleich, der mir gerade noch gefehlt hat. Auf hoher See wird mir nämlich übel«, erwiderte Welf. »Außerdem stören mich diese Leute da drüben. Diese eine Frau starrt mich an, als ob ich ihr die Tochter geschändet hätte. Habe ich eigentlich diesen Leuten das Flachdach aufgeredet oder war es im Bebauungsplan so vorgeschrieben? Warum verklagt diese Frau nicht einfach die Stadt?«
Simpfendörfer schwieg vorsichtshalber.
»Jedenfalls halte ich mich im Augenblick für entbehrlich, Teuerster«, fuhr Welf entschlossen fort. »Rufen Sie mich übers Handy an, wenn ich gebraucht werde.«
Er hob grüßend die Hand und ging über den Korridor zum Westausgang, wurde aber unversehens aufgehalten. An der Stelle, an der sich der Korridor zur Vorhalle des Schwurgerichtssaales weitet, hatten Polizisten eine Sperre errichtet. Zuhörer drängten sich davor, und die Türen zum – leeren – Sitzungssaal standen offen.
»Wenn Sie zuhören wollen, müssen Sie sich ausweisen«, sagte einer der Beamten. Er wolle nur an der Absperrung vorbei, antwortete Welf, aber der Beamte meinte, dass das jetzt leider nicht gehe, Sicherheitsgründe, Anweisung des Herrn Landgerichtspräsidenten: »Haben Sie bitte Verständnis.«
In diesem Augenblick kam Kugler aus dem Sitzungssaal. Als er Welf an der Sperre sah, ging er auf ihn zu und begrüßte ihn. »Was für Terroristen verteidigst du eigentlich, dass es hier einen solchen Zirkus gibt?«, wollte Welf wissen.
»Mich darfst du nicht fragen«, antwortete Kugler. »Mein Mandant ist ein gesetzestreuer Bürger. Alle meine Mandanten sind das. Nur hat irgendein Idiot aufgebracht, dass die Mafia einen Killer hierher geschickt haben soll.«
Welf schlug vor, dass Kugler auf ein Glas mit ihm kommen solle. Der Anwalt zögerte kurz und wandte sich dann an einen jüngeren Mann in schwarzem Talar, der vor dem Beratungszimmer des Schwurgerichts wartete. »Könnten Sie beim Vorsitzenden nachfragen, wann es frühestens weitergeht?« Der Mann in dem Talar schaute fast erschrocken auf Kugler. »Einen Augenblick«, sagte er, klopfte an der Tür des Beratungszimmers und ging hinein. Nach einer kurzen Weile erschien er wieder. »Es dauert noch mindestens eine halbe Stunde. Der Herr Vorsitzende hat angeordnet, dass der Saal durchsucht werden muss.« Er blickte von Kugler zu Welf und wieder zurück. »Vielleicht ist ja eine Bombe versteckt«, fügte er hinzu und lächelte gezwungen.
Kugler fand, dass sie Zeit genug für ein Gläschen hätten, und geleitete Welf durch die Absperrung zum Westausgang. »Du hast
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