Schwemmholz
schließlich einen auszugeben«, sagte er zu Welf. »Jedenfalls hab ich das dem ›Tagblatt‹ entnommen.«
»Noch kein Anlass zum Feiern«, wehrte Welf ab. »Ich will ja nicht meinen Entwurf verkaufen, sondern das Ding auch bauen, und zwar allein. Ohne den faulen Zauber einer Arbeitsgemeinschaft mit Leuten wie Gföllner, nur weil die hier schon immer und überall ihre Finger drin haben.« Gemeinsam gingen sie die Treppe zum Ausgang hinab, überquerten das gekieste
Rondell vor der Westseite des Justizgebäudes und traten in Tonios kleines italienisches Café.
»Niedliches Bild von euch«, sagte Kugler, als sie bestellt hatten. Welf blickte fragend. »Ich meine das im ›Tagblatt‹. Judith und ihr Meister.« Sie tranken sich zu. Welf ließ Kuglers Bemerkung unbeantwortet. Beide schwiegen, aber bevor das Schweigen peinlich wurde, unterbrach es Welf und wollte wissen, wie es denn mit Kuglers Skinhead weitergehe. Das Foto ist ihm peinlich, dachte Kugler. »Das ist kein Skin«, antwortete er. »Schlag dir das aus dem Kopf. Irgendwelche Glatzen hätten den gerne angeheuert, aber das ist auch schon alles. Außerdem wird er freigesprochen werden. Der letzte Zeuge, ein Tankwart, hat keinen der Angeklagten identifizieren können.«
Welf nickte. »Dieser Mensch im Talar, den du vorhin hast fragen lassen – war das ein Richter?«
»Nein«, antwortete Kugler, »wie kommst du darauf? Das war der Protokollführer.« Er trank aus und schaute auf die Uhr. »Ich muss zurück. Danke für den Drink.«
Nachdenklich schob sich Tamar durch die Tür zu Berndorfs Büro. In ihren Jeans und der weiten Tweedjacke sah sie aus wie Artemis, die sich in einer schwachen Minute in einen Second-Hand-Shop für Designerklamotten verirrt hatte. Sie lehnte sich an einen Aktenschrank und betrachtete skeptisch ihren Chef. Er hatte seinen Sessel nach hinten gekippt und hielt einen Aktenordner in den Händen. Tamar hielt es für gut möglich, dass er darin ein Buch versteckt hielt. Vermutlich sogar einen Band aus der angestaubten Lichtenberg-Gesamtausgabe, die er vor einigen Tagen angeschleppt hatte.
»Ich frage mich, ob wir in dieser Skinhead-Geschichte nicht doch Fehler gemacht haben«, sagte sie unvermittelt.
Du raubtiergleiche Schöne! Wetz deine Krallen nicht an mir, dachte Berndorf. »Blocher meint das auch«, antwortete er kühl. »Schön, dass Sie mit diesem bedeutenden Kriminalisten einer Meinung sind.«
Tamar schüttelte ärgerlich den Kopf. »Blocher ist ein Dummkopf. Sie sind es nicht. Aber kritikfähiger sollten Sie sein.«
Das Telefon summte und enthob Berndorf fürs Erste einer Antwort. Es meldete sich die Staatsanwältin Meulenfeld. Es gibt Stimmen, dachte Berndorf, die nur einen Tonfall haben: den für Kümmernisse und Fehlschläge.
»Das Gericht hat leider beide freigesprochen«, jammerte die Stimme.
»Das war zu erwarten«, sagte Berndorf. »Gehen Sie in die Revision?«
Das müsse sie erst mit Desarts klären, klagte die Stimme sorgenvoll. »Erklären Sie ihm, dass wir keinerlei anderen Ansatzpunkte haben«, sagte Berndorf. »Die beiden waren es, ohne jeden Zweifel.«
Dann legte er auf. »Das war die Meulenfeld?«, fragte Tamar. »Die haben es also fertig gebracht.«
Berndorf warf ihr einen müden Blick zu. »Was erwarten Sie von unseren Gerichten? Die Urteile gegen rechte Gewalttäter sind so grotesk mild, dass man die Kerle genauso gut gleich freisprechen kann.«
Tamar schüttelte den Kopf. »Ganz so ist es nicht, Chef, und Sie wissen es auch. In diesem Fall lag es auch daran, dass wir dem Gericht zu wenig anzubieten hatten.«
»Jetzt verstehe ich Sie wirklich nicht.« Er klingt richtig beleidigt, dachte Tamar.
»Wir haben sehr wenig über diese Skinhead-Gruppe erfahren«, sagte sie dann. »Wir hätten zum Beispiel nicht erklären können, warum Rodek sich auf eine solche Dumpfbacke wie Veihle als Partner einlässt.«
»Vermutlich war es ihm zu mühsam, einen intelligenten Skin zu finden.«
»Sie machen es sich zu einfach«, antwortete Tamar. »Diese beiden Typen sind freigesprochen worden. Also waren sie schlau genug, uns hereinzulegen.«
»Das weiß ich auch«, räumte Berndorf ein. »Aber es ist
auch nicht so, dass wir gar nichts über diese Skinhead-Gruppe wüssten. Es ist eine Hand voll junger Männer von der Alb, die meisten haben Arbeit, sind Heizungsbauer, Monteure oder schaffen beim Magirus. Als Anführer hätte sich gerne dieser Veihle gesehen, aber er ist nicht für voll genommen worden. Deswegen hat
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