Schwemmholz
er sich an den Rodek herangemacht, als der vor einem halben Jahr in Ulm aufgetaucht ist. Das ist ja einer, der sich nicht erst mit Springerstiefeln kostümieren muss. Der war richtig Fallschirmjäger gewesen, bis er bei der Bundeswehr rausflog.«
»Was hat der Bund gegen solche Leute?«
»Eigentlich nichts«, sagte Berndorf und klopfte auf den Aktenordner, in dem doch kein Lichtenberg-Band steckte. »Rodek war Stabsfeldwebel bei den Fallschirmjägern. Sehr gute Beurteilungen. Nur hat er irgendwann einen der Offiziere krankenhausreif geschlagen.«
»Im Suff?«
»Durchaus nicht«, sagte Berndorf. »Der Offizier hatte seiner Vermutung Ausdruck gegeben, Rodeks Mutter werde seinerzeit für einen Katzelmacher die Beine breit gemacht haben.«
Tamar runzelte die Stirn. »Versteh ich nicht.«
»Katzelmacher ist ein abschätziger Ausdruck für Italiener«, erklärte Berndorf. »Wie Spaghetti. Oder Krauts für uns.«
»Und warum rastet er deswegen aus?«
»Rodek ist in einem Heim in Stuttgart aufgewachsen«, sagte Berndorf. »Vermutlich weiß er nicht, wer sein Vater ist.«
Tamar verzog das Gesicht. »Das Leben besteht aus ziemlich vielen Klischees«, sagte sie nach einer Weile.
Berndorf zuckte mit den Schultern. »Als junger Mann war Rodek Amateurboxer gewesen, einer, der nach oben wollte. Der hart austeilt. Aber ich glaube, er kann nicht einstecken. Nach dem Rausschmiss beim Bund war’s auch mit dem Boxen vorbei. Er hat sich dann mit allen möglichen Jobs durchgeschlagen, als Bodyguard und einige Zeit als Trainer in einer Kampfsportschule.«
»Aber keine Vorstrafen . . .«
»Nein, keine Vorstrafen«, sagte Berndorf. »Nur die Geschichte in Nagold. Vier Monate. Zur Bewährung.«
»Aber warum zündet er eine italienische Bauarbeiterhütte an? Nur um sich zu beweisen, dass er kein halber Spaghetti ist?«
Berndorf breitete seine Hände aus, mit einer Geste, die eher ratlos als zweifelnd war. »Selbsthass ist schon immer ein starkes Motiv gewesen«, sagte er schließlich. »Auf der anderen Seite haben Sie wahrscheinlich doch Recht. Bei der Schlägerei in Nagold war er provoziert worden. Etwas Ähnliches hat es in Wiesbrunn nicht gegeben. Jedenfalls wissen wir es nicht.«
Na also, dachte Tamar. Wir wissen es nicht. »Aber wir wissen, dass Veihle den Container angezündet hat. Und dass Rodek dabei war. Das heißt, ich weiß es.« Sie sah Berndorf kurz in die Augen. Dann wandte sie den Blick wieder ab.
Und ich weiß, warum du es weißt, dachte Berndorf. Es war Tamar gewesen, die Veihle den Kopf unter den Wasserhahn gehalten hatte. Berndorf hatte in jener Nacht das Büro für eine halbe Stunde verlassen. Als er zurückkam, war Veihle, schwer atmend, plötzlich bereit, eine Aussage zu machen.
»Wenn aber Rodek dabei war, dann ist das nicht bloß eine Lumperei betrunkener Skinheads«, fuhr sie fort. »Es steckt mehr dahinter. Wir hätten uns nicht von Desarts unter Druck setzen lassen sollen.«
Die Ermittlungen waren von Oberstaatsanwalt Desarts geleitet worden, und dem saß die Landesregierung im Nacken. Stuttgart wollte einen kurzen Prozess, um zu zeigen, dass das Land auch gegen rechtsradikale Straftäter durchgreift.
Jemand klopfte an die Tür und öffnete sie. Es war Markert. Ohne weitere Umstände ließ er sich in den Besuchersessel fallen. Der Sessel sah plötzlich klein und zerbrechlich aus. »Entschuldigt, dass ich so hereinplatze«, sagte Markert, »aber ich brauche dringend einen Schnaps.«
Aus einem Schreibtischfach holte Berndorf einen Plastikbecher und eine grüne Flasche mit handbeschriftetem Etikett heraus.
In der Flasche war Zwetschgenwasser, das sein Ravensburger Kollege Kastner gebrannt hatte. Er goss zwei Fingerbreit hoch in den Becher und schob ihn Markert hin.
»Gott! Brennt das«, brachte Markert heraus, nachdem er einen Schluck genommen hatte. »Ich war bei Englin«, sagte er dann. Berndorf und Tamar nickten teilnehmend.
»Der Sauna-Club ist jetzt vollkommen übergeschnappt.« Einige der leitenden Beamten der Direktion trafen sich regelmäßig zu Sauna-Abenden. Markert gehörte nicht dazu. »Englin hat angeordnet, dass die Telefone von fünf oder sechs italienischen Kneipen überwacht werden. Er bildet sich ein, dass er so den Mafioso schnappt, den das LKA angekündigt hat.«
»Nach welchen Gesichtspunkten hat er die Kneipen denn ausgesucht?«, wollte Tamar wissen.
»Das hab ich ihn auch gefragt. Dann hat er mich darüber belehrt, es seien solche, die potentielle OK-Kontakte hätten«,
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