Schwemmholz
uns das Nummernschild ansehen. Die Ulmer haben eine Fahndung herausgegeben nach einem Mondeo.«
»Ja, Herrgottssak!«, sagte Kubitschek verbindlich, »warum schaust dann nicht nach?«
Seufzend zog Rösner ein Papiertaschentuch hervor, ging in die Knie und versuchte, das Nummernschild freizuwischen. Freudig sprang ihn der Hund an und versuchte, ihm das Gesicht abzulecken. Rösner scheuchte ihn weg. Plötzlich hielt er inne. »Scheiße«, sagte er und sah zu dem Mann mit dem Hund hoch. »Was war noch mal komisch mit den drei Männern?«
»Ja«, antwortete der Mann, »die sind da zur Donau runter, das tut doch kein vernünftiger Mensch, wenn von dort das Hochwasser kommt. Und dann sind die, glaub ich, in diesen Neubau. Das ist überhaupt ein komischer Neubau, da sind
schon die ganze Zeit Leute drin, obwohl der noch gar nicht fertig ist.«
Kuttler stellte seinen Wagen neben dem Tankstellengebäude ab, vor einem Haselnussstrauch, wo die Fahrer sonst die Aschenbecher ausleeren und die Fußmatten ausklopfen, bevor sie das Auto in die Waschanlage fahren. Der Strauch sah trotz des vielen Regens der letzten Tage schmutziggrau aus. Kuttler stieg aus und sah suchend umher.
Ein zahnloser Stadtstreicher humpelte auf ihn zu. »Wagen waschen, der Herr? Ich stell mich schon mal an und besorg Ihnen die Waschkarte.« Kuttler schüttelte den Kopf. Er holte aus seiner Brieftasche den Dienstausweis und zwei Fotografien. Eine davon hielt er, zusammen mit dem Ausweis, dem Stadtstreicher vors Gesicht. »Kennen Sie den da?«
»Oh, halten zu Gnaden, Herr Oberinspektor«, sagte der Mann, »aber das Alter! Die Augen! Immer schlimmer wird das.« Er zog mit dem Zeigefinger sein rechtes unteres Augenlid herunter und hielt Kuttler einladend einen blutunterlaufenen Augapfel vors Gesicht. Eine Fahne säuerlichen Rotweins wehte Kuttler an. »Und glauben Sie, dass irgendein Doktor einem alten armen Berber eine Brille verschreibt? Keine Sau tut das. Schöne Gesundheitsreform, kann ich da nur sagen.«
Kuttler wich zurück und blickte um sich. Niemand beobachtete sie. Verlegen zog er seinen Geldbeutel, suchte einen Zehnmarkschein heraus und hielt ihn zwischen zwei Fingern.
»Mal sehen«, sagte der Alte. »Wenn ich die Augen zusammenkneife, aber schon sehr zusammenkneife, also wenn ich das tue, dann ist das doch unser armer Kumpel, den es in dem Abbruchhaus erwischt hat, ein ganz ein feiner Kerl . . .«
Er grapschte sich den Zehnmarkschein. Kuttler entschied, er müsse andere Saiten aufziehen. »Hör mal, das war keine zehn Mark wert. Trotzdem sind wir heute gnädig. Sehr gnädig. Du kriegst, vielleicht, sogar noch mal zehn. Vorausgesetzt, du erzählst mir auch was.« Er hielt ihm das zweite Foto hin.
Das Gesicht des Alten fiel plötzlich ein. »Ich sagte Ihnen doch, dass ich’s auf den Augen hab«, jammerte er, »außerdem sieht man so viele Leute, hier in meinem Beruf . . .«
Kuttler kam zum Schluss, dass er jetzt die Geduld verliere. »Pass auf. Ich nehm dich jetzt mit auf den Neuen Bau, und dann machst du eine schöne Aussage, und bis du sie gemacht hast, gucken wir mal, ob es nicht irgendwo Leute gibt, die dich gerne mal wieder sehen möchten. Die vielleicht sogar eine schriftliche Einladung für dich haben.«
Der Alte schaute ihn triefig an. »Staff«, sagte er dann plötzlich, »den Mann auf diesem zweiten Foto nennen sie Staff. Das heißt, Tanko hat ihn so genannt. Tanko ist der, der in dem Abbruchhaus über den Jordan ist. Tanko hatte Angst vor Staff. Man merkt das, wenn jemand Angst hat. Man kann es sogar riechen. Trotzdem ist Tanko mit Staff gegangen.«
»Das war an dem Tag, an dem Tanko über den Jordan ist, nicht wahr?«, sagte Kuttler.
»Warum fragen Sie, wenn Sie es wissen?«, fragte der Alte und hielt Kuttler auffordernd die leere Hand hin.
Welf sah die Post durch. Das meiste waren Anfragen von Handwerksfirmen, die sich um einen Auftrag als Subunternehmer für die Großsporthalle rissen. Welf wusste selbst zu gut, dass es der Branche schlecht ging. Aber dass so vielen Betrieben das Wasser bis zum Hals stand, hätte er nicht gedacht. Er lächelte zufrieden. Irgendjemand klopfte hart gegen die Tür und öffnete sie. Welf sah hoch und erstarrte ärgerlich. Nicht schon wieder Tiger-Lily, diese verfolgende Unschuld von der Polizei. Seine Sekretärin stand neben ihr und piepste Protest. »Ich bedaure«, sagte Tamar. »Aber wir brauchen in einem aktuellen Fall Ihre Hilfe.« Welf betrachtete sie kühl.
»Guten Morgen«,
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