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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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rechts ragten nur die grau betonierten Seitenmauern einer Unterführung hoch. Nach drei Ewigkeiten schaltete die Ampel auf Grün, Berndorf drückte sich auf die Überholspur und schoss an dem Lastwagen vorbei.
    Nun fahr ich schon so wie sonst die Leute mit einem solchen Auto, dachte er. Er beschleunigte, und plötzlich spürte er, wie ihm der kalte Schweiß auf der Stirn trocknete.
    Es war später Nachmittag. Die Bundesstraße war frei, als habe es nie die Lastwagen mit Erdaushub gegeben. Berndorf stellte das Radio an, im Regionalprogramm kamen Nachrichten.
    »In der Affäre um die Anlieferungen auf die Ulmer Erd-Deponie hat jetzt ein Sprecher der Staatskanzlei erklärt, die Landesregierung oder das Büro des Ministerpräsidenten hätten in keiner Weise Einfluss auf die Vertragsbedingungen genommen. Wie ein Ulmer Kommunalpolitiker behauptet hat, werden für den Aushub, der beim Ausbau des Stuttgarter Flughafens anfällt, Gebühren verlangt, die angeblich bei weitem nicht kostendeckend sind. Die für Wirtschaftsstraftaten zuständige Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Stuttgart hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.«
    Bei der Ausfahrt Laupheim verließ Berndorf die Schnellstraße. Der Anblick der Wälder und sanften Hügel löste seine Anspannung. Es geht ja doch wieder, dachte er aufatmend, als er den Wagen gelassen seinem Ziel entgegensteuerte.
    In Gauggenried parkte er den Audi bei der Kirche und ging
dann zu Vochezers Anwesen. Das linke Bein stützte er noch immer mit dem Stock ab, aber es brauchte nur noch wenig Entlastung. Der Hof lag still im frühen Abendlicht. Auf sein Klingeln öffnete eine junge Frau in Jeans und kariertem Hemd. Sie hatte ein rundes Gesicht mit einer kecken Nase und rotblondes, am Hinterkopf zusammengestecktes Haar. Sie schaute ihn aus grünblauen Augen an, als ob es außer Zweifel stehe, dass zwar sie hier etwas zu suchen habe, nicht aber er.
    Berndorf stellte sich vor.
    »Ach ja«, sagte die Rotblonde. »Mein Chef hat angerufen und gesagt, dass Sie kommen.« Sie reichte ihm eine kleine und feste Hand. »Ich bin Sylvie Wenger, und mir ist es passiert, dass Vera verschwunden ist.« Unvermittelt übergoss eine leichte Röte ihr Gesicht und verschwand wieder. »Ich bin dageblieben, falls sie wiederkommt. Und es ist ja auch Einiges zu tun.« So, dachte Berndorf. Dann fragte er, wo sie miteinander reden könnten. Sylvie Wenger nickte in Richtung der Scheune. »Im Verkaufsraum«, sagte sie und ging voran. Sie hatte ausladende Hüften und bewegte sich wie eine Frau, die es gern hat, wenn man ihr zuschaut. Auf halbem Weg lief ihr eine vierfarbige Katze maunzend zwischen die Füße. Sie ging anmutig in die Knie, den Rücken gerade haltend, nahm die Katze auf den Arm und kraulte sie am Hals. Dann richtete sie sich wieder auf und drehte sich, die Katze noch immer im Arm, zu Berndorf um. »Ich hab nie eine haben dürfen«, sagte sie entschuldigend. Die Katze hatte die Augen geschlossen und schnurrte.
    Der Verkaufsraum war ein fensterloser, abgeteilter Raum der früheren Scheune, nur undeutlich durch eine herabhängende Lampe mit Metallschirm erleuchtet. In der Mitte stand ein Holztisch mit einer Waage, auf der noch mit Gewichten gewogen wurde. Holzkisten voller Salatköpfe und Gemüse füllten die Regale an den Wänden. Ein hohes Regal hinter dem Verkaufstisch war mit Flaschen voll gestellt. Die Preise für Apfel- und Birnensaft, für Most und selbst gebrannten Obstschnaps waren auf einer Schiefertafel notiert.

    Sylvie Wenger hatte die Katze wieder auf den Boden gesetzt.
    »Ich hätte gerne von Ihnen gehört, wie das gestern war«, sagte Berndorf. »Als Vera Vochezer verschwunden ist.«
    Die Rothaarige sah ihn etwas unwillig an. »Ich dachte, Sie wüssten es schon. Ich bin mit Wilhelm noch auf die Koppel gegangen, um die Pferde zu holen. Vochezers haben vier, keine eigenen, sondern nur zur Pension. Das muss gegen halb acht gewesen sein, ich meine, dass wir zur Koppel gegangen sind.« Sie überlegte, dann zuckte sie mit den Achseln. »Als wir zurückkamen, war sie weg. Ich dachte zuerst, sie ist in das Dorf. Da hätte ich natürlich mitgehen müssen. Aber Vera hat darauf bestanden, dass ich nicht als Polizistin auftrat, sondern als ihre Cousine. Und da kann ich doch nicht auf Schritt und Tritt hinter ihr herlaufen.«
    Das musst du auch nicht, wenn du deinen Job richtig machst, dachte Berndorf. »Inzwischen wissen wir ja, dass sie nicht ins Dorf gegangen ist, sondern sie ist nach Laupheim

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