Schwemmholz
verbrennen.
Hansis winziges Büro war mit Fußball-Postern, Fan-Schals und Tröten voll gehängt, als seien es Jagdtrophäen. Hansi hieß schon immer so und wurde von niemandem anders genannt. Eigentlich gehörte er dem Raubdezernat an, aber vor einigen Jahren hatte man entdeckt, dass er die Gabe besaß, auf zornige Gemüter beruhigend zu wirken, und so war er mit der Betreuung der SSV-Fan-Gruppen beauftragt worden.
»Ich kann das«, hatte er Tamar einmal erklärt, »weil die Leute wissen, ich tu keinem was.« Hansi war knapp unter 1,90 groß, hatte eine Bürstenfrisur, trug Jeans und ein knapp sitzendes T-Shirt, das jederzeit in Gefahr schien, bei einer Anspannung seines Bizeps aus den Nähten zu platzen.
»Komm rein«, sagte er, als Tamar in der Tür erschien. »Willst du einen Kaffee? Ich hol dir einen aus dem Automaten.«
»Um Gottes willen, nein danke«, antwortete Tamar, nahm sich den Besucherstuhl und setzte sich. »Ich will wissen, ob du damit etwas anfangen kannst.« Sie legte die Vergrößerungen des Puzzleteils auf den Tisch, das der Tankwart herausgesucht hatte. Die Vergrößerungen ließen eine Gesichtspartie mit eng stehenden Augen und einer Nase erkennen, die seitlich gebogen war. Der Mann, der dazugehörte, trug kurze Haare, aber keine Glatze.
Hansi nahm sich die Aufnahmen vor und betrachtete sie lange. Dann schaute er hoch. »Was willst du von ihm?«
»Er hat einen Kanister Dieselöl gekauft«, antwortete Tamar. »Es ist schon eine Weile her. Ich fress einen Besen, wenn er es fürs Auto gebraucht hat.«
»Ich kenne diesen Mann«, sagte Hansi. »Achenbach, Manuel. Er gehört zu den Neonazis, die in die Fan-Szene einsickern. Die Glatze hat er sich erst vor ein paar Monaten zuwachsen lassen. Zur Tarnung. Der Staatsschutz müsste einen Vorgang über ihn haben.«
Tamar stand auf. »Sag mir, wenn ich dir einen Stein in den Garten werfen kann.«
Mittwoch, 26. Mai
Die Abflughalle des Flughafens Berlin-Tegel war vom Stimmengewirr der Menschen erfüllt, die sich über Verspätungen aufregten oder an den Schaltern mit ihren »Senator Cards« fuchtelten, um doch noch einen Platz in einem der ausgebuchten Jets zu ergattern.
»In dieser Berliner Republik wird Wilhelm Voigt keine Hauptmannsuniform mehr brauchen«, sagte Berndorf. »Er wird sich einen VIP-Ausweis fälschen.«
Barbara lächelte. Aber es galt nicht Berndorf. Mit angezogenen Knien saß neben ihnen auf dem Boden ein elf- oder zwölfjähriges Mädchen und las, ungerührt von dem Lärm um sich herum, in einem dickleibigen roten Leinenband. Barbara neigte den Kopf, um einen Blick auf den Buchrücken zu erhaschen. Das Mädchen bemerkte es und zeigte ihr den Titel. Das Buch war Fritz Mühlenwegs »In geheimer Mission«.
»Oh«, sagte Barbara. »In der Eile sind Fehler.«
»Das ist richtig«, antwortete das Mädchen ernsthaft. »Es gibt keine Hilfe.«
Barbara wandte sich wieder Berndorf zu. »Wenn du es als Junge nicht gelesen hast, solltest du es nachholen. Bietet auch
für Kriminalisten wichtige Einsichten. Die Beharrlichkeit hat Gelingen, nur ein Beispiel.«
Der Flug nach Stuttgart wurde aufgerufen. Barbara sah Berndorf an. Ihre Augen waren groß und grün. »Wann kommst du zurück?«
»Wenn ich ein oder zwei Dinge mehr weiß. Und sobald die in Stuttgart mich in den Ruhestand versetzt haben.«
Eine halbe Stunde später hob sich die Lufthansa-Maschine aus dem Berliner Nieselregen und flog der nächsten Regenfront entgegen.
Das Staatsschutz-Dezernat hatte tatsächlich eine Akte über Manuel Achenbach. Er war wegen Volksverhetzung vorbestraft und galt als Mitläufer von Gruppierungen wie dem Rudolf-Heß-Gedächtniskomitee. Achenbach war Facharbeiter bei Iveco-Magirus, hielt sich dort aber zurück: »Da müssen ihm wohl einige Türken irgendwann einmal die Fresse poliert haben«, vermutete Tamars Kollege vom Staatsschutz.
Bei Iveco-Magirus sagte man Tamar, dass Achenbachs Schicht um 16 Uhr ende. Der Mann vom Staatsschutz hatte ihr abgeraten, ihn allein aufzusuchen. So hatte sie zwei uniformierte Beamte angefordert, bevor sie kurz vor 17 Uhr in den Vorort Wiblingen hinausfuhr. Achenbach wohnte dort in einer der Siedlungen, die nach dem Krieg gebaut worden waren.
»Nicht schon wieder ihr«, sagte Tamar, als sie unten im Hof des Neuen Baus Leissle, genannt Orrie, und Heilbrunner traf.
»Wir können es uns auch nicht aussuchen«, meinte Orrie liebenswürdig und startete den Streifenwagen.
In der Stadt richtete der abendliche
Weitere Kostenlose Bücher