Schwere Schuld / Der Wächter meiner Schwester - Zwei neue Romane in einem Band
werden die Hexe nie umstimmen können. Sie ist echt’ne Schnalle.«
»Ich kann es wenigstens versuchen, Minette.« Amanda holte tief Luft und ließ sie wieder entweichen. »Wann können Sie kommen?«
»Heute Abend nich’. Ist zu spät.«
Es war Viertel vor sechs. Gott im Himmel mochte wissen, wie lange sie heute schon an der Flasche hing. »Sie haben recht. Wie wär’s mit morgen, sagen wir um zehn?«
»Lieber um elf.«
»Elf wäre perfekt. Ich rufe Sie um halb elf an, um festzustellen, ob Sie pünktlich sein können?«
»Klar. Bye.«
»Oh, übrigens, sind Sie schon untersucht worden?«
Eine lange Pause entstand. »Gute Nachrichten. Der Arzt meint, ich wäre sauber.«
»Das sind sehr gute Nachrichten.« »Nehm ich an. Bye.«
Dass sie sauber war, bedeutete, dass Minettes schlimmste Befürchtung sich als wahr erwiesen hatte. Davida hatte sie betrogen. Die große Frage war, mit wem. Minette musste sich die gleiche Frage stellen. Das könnte die Erklärung dafür sein, dass sie so früh mit dem Trinken angefangen hatte.
Sie schaute sich im Großraumbüro nach Barnes um - siehe da, er hockte in einer Ecke mit dem Blick zur Wand und telefonierte mit seinem Handy. Sie ging zu ihm und tippte ihm auf die Schulter. Barnes flüsterte ein »Muss los« in die Muschel und unterbrach die Verbindung.
»Mit wem hast du gesprochen?«, fragte Amanda beiläufig.
»Mit niemandem.«
»Am Telefon, und hast mit niemandem gesprochen. Man hat Leute schon wegen erheblich weniger in die Klapsmühle gesteckt, Will.«
»Es hatte nichts mit dem Job zu tun.«
Amandas Lächeln weitete sich zu einem Grinsen. »Du hast mit dieser Polizistin in L.A. gesprochen.«
»Amanda -«
»Wie hieß sie doch gleich?« Amanda schnippte mit den Fingern. »Marge. Eine große Braut, sah aber nett aus, das gebe ich zu.«
»Sie hat eine Waise im Teenageralter adoptiert. Die Kleine geht aufs Caltech. Wir haben uns nur über Kids unterhalten.«
»Du hattest nie welche.«
»Ich war der Zuhörer.«
» Willie and Margie sitting in a tree - fliegst du nach Süden, oder kommt sie nach Norden?«
»Sie hat zwei Tage frei. Können wir wieder über die Arbeit reden?«
»Klar, weil ich mich darum gekümmert habe. Minette kommt uns morgen früh um elf besuchen.«
»Du hast sie dazu gebracht herzukommen?« Barnes nickte anerkennend.
Amanda boxte ihm leicht gegen die Schulter. »Wenn ich erst meinen Charme auspacke … Ich werde jetzt nach Hause fahren, um ihn an meinem Mann zu erproben. Es sei denn, du möchtest unbedingt meinen Rat in einer bestimmten Angelegenheit.«
»Welche Angelegenheit wäre das?«
»Wohin du Margie ausführen sollst. Die Wettervorhersage spricht von zwanzig Grad und Sonnenschein. Du solltest ein Kabrio mieten und mit ihr eine Fahrt ins Weinland machen. Lass ein paar Kröten springen und übernachte im Sonoma Mission Inn.«
Das war tatsächlich keine schlechte Idee, aber Barnes wollte verdammt sein, wenn er ihr die Genugtuung schenkte. »Du kannst ruhig gehen, Mandy. Ich bin morgen gegen neun wieder hier.«
»Ich auch, wenn Gott und der Verkehr es zulassen. Ich werde Minette morgen gegen halb elf anrufen, um sie an den Termin zu erinnern. Sie ist bereits ein bisschen betrunken, also werde ich sie vermutlich an unsere Unterhaltung erinnern müssen. Zweifellos wird sie einen Kater haben und schlecht gelaunt sein.«
»Ich werde ein bisschen Saft mitbringen«, sagte Barnes, »Doughnuts, alles, was das Herz begehrt. Jede Kleinigkeit hilft.«
»Wenn es nur so einfach wäre«, erwiderte Amanda. »Bring auch Aspirin mit.«
18
Am nächsten Morgen um halb elf lag Minette noch im Bett und hatte den Termin vergessen. Amanda beschloss, am effektivsten sei es, sie einfach abzuholen und in die Station zu bringen. Die junge Frau brauchte eine ganze Stunde, um sich anzuziehen, und noch eine halbe Stunde, in der sie mit Designerkaffee traktiert wurde, bis sie zu einem Gespräch in der Lage zu sein schien. Trotz dieser Drei-Sterne-Behandlung war Minette verdrießlich. Ihr Make-up konnte ihre Tränensäcke nicht verdecken, verlieh ihnen eher ein schmutziges als ein exotisches Aussehen. Ihre Haare konnten sowohl eine Bürste als auch eine neue Färbung vertragen. Sie trug eine zerknitterte Khakihose, ein weißes T-Shirt und Turnschuhe. Sie war so schlaksig und schlank, dass man sie von hinten für einen Jungen im Teenageralter halten konnte.
Amanda brachte sie in den Vernehmungsraum und stellte ihr einen Stuhl hin. »Kann ich Ihnen irgendwas
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