Schwere Schuld / Der Wächter meiner Schwester - Zwei neue Romane in einem Band
erzählte davon, wie er immer an dieser Stelle vorbeiging - an diesem besonderen Stück Land, weil man dort manchmal Aluminiumdosen für die Einlösestelle finden konnte, und einmal hatte er eine Armbanduhr gefunden. Leider hatte sie nicht funktioniert.
Diesmal hatte er mehr gefunden, als er gesucht hatte. Er war ausgeflippt, als er den Toten entdeckte, und zurück ins Obdachlosenheim gelaufen, um es irgendjemandem zu erzählen. Auf dem Weg war er auf ein Münztelefon gestoßen und hatte den Anruf gemacht.
Jetzt fragte er sich … ähm … ob es vielleicht eine Belohnung gab?
»Tut mir leid, Sir«, sagte Lamar, »für das Finden von Leichen gibt es keine Belohnung, nur für das Finden von Mördern.«
»Oh«, sagte Watson. Ließ ein zahnloses Grinsen aufblitzen. »Man kann’s ja mal versuchen.«
Sie befragten ihn noch eine Zeitlang, gaben seinen Namen ins System ein und erzielten einen Treffer wegen kleinerer Vergehen. Als Baker einen Test mit dem Lügendetektor vorschlug, war Watson von der Idee begeistert. »Solang’s nich’ wehtut.«
»Es ist schmerzlos, Mr. Watson.«
»Dann los. Ich probier immer gern neue Sachen aus.«
Lamar und Baker wechselten einen Blick.
Stretch räusperte sich. »Äh, tut uns leid, Sir, im Moment ist kein Mann im Haus, der sich mit dem Gerät auskennt. Wir rufen Sie an.«
»Okay«, sagte Watson. »Ich hab nix zu tun.«
Ein Anruf bei Jack Jeffries’ Kreditkartengesellschaft, Gespräche mit dem Supervisor von Marquis Jet, dem Fahrer der Limousine, der Jeffries und Delaware zum Hotel gebracht hatte, und ein kurzes Treffen mit dem Personal von Jack’s Bar-B-Que bestätigten jedes Detail von Dr. Delawares Geschichte.
Niemand im Restaurant hatte gesehen, wo Jeffries hingegangen war.
Baker und Lamar verbrachten die beiden nächsten Stunden damit, die benachbarten Geschäfte im Osten des Grillrestaurants abzuklappern, mit Passanten zu reden, mit allen, die mit gewisser Regelmäßigkeit auf den Straßen zwischen der Fifth und der First verkehrten.
Nichts.
Da sie kaum weitere Anhaltspunkte hatten, begannen die beiden Detectives zu telefonieren, nachdem sie die Liste der Musiker unter sich aufgeteilt hatten, die an dem kommenden »Evening at the Songbird Café for the Benefit and Protection of the First Amendment« auftreten wollten.
Unter den Namen waren die einiger Idole Lamars: Stretch erledigte seine Polizeipflichten mit Begeisterung. Baker machte die Anrufe mit einer Zurückhaltung, die an Feindseligkeit
grenzte. Die Gesamtsumme der zweiundzwanzig Telefonate zeitigte die gleichen Ergebnisse, die auf null hinausliefen. Alle waren erschüttert von der Nachricht, aber niemand hatte Jack Jeffries auch nur von weitem gesehen. Einige wussten nicht mal, dass sein Auftritt geplant war. Eine Überprüfung der Anrufe, die Jeffries mit seinem Handy gemacht hatte, verifizierte die Geschichten. Falls Jack versucht hatte, Kumpels von früher zu erreichen, hatte er das von einem Festnetzanschluss aus getan, von dem die Detectives nichts wussten.
Ein Anruf bei Lieutenant Milo Sturgis in L.A. um neunzehn Uhr bestätigte Dr. Alexander Delawares langjährige Beziehung zum dortigen Police Department. Sturgis bezeichnete Delaware als brillant.
»Falls Sie ihn brauchen können«, sagte der Lieutenant, »haben Sie keine Scheu.«
Baker fragte ihn, ob er gewusst habe, dass Delaware Jack Jeffries behandelt hätte.
»Nein«, sagte Sturgis. »Er spricht nie über seine Patienten. Der Mann nimmt seine Schweigepflicht ernst.«
»Klingt so, als könnten Sie ihn gut leiden.«
»Er ist ein Freund«, erwiderte Sturgis. »Und zwar deswegen, weil er ein guter Mensch ist.«
Der AFIS-Bericht zu dem Blatt Papier mit dem Song-Text aus Jack Jeffries’ Suite war negativ: Kein Fingerabdruck darauf stimmte mit einem der im System erfassten Individuen überein. Die Leute von der Spurensicherung waren immer noch im Hotel, und die Ergebnisse würden morgen eintrudeln.
Baker rief im Büro des Leichenbeschauers an und sprach mit Dr. Inda Srinivasan. »Das Resultat der toxikologischen Analyse wird erst in ein paar Tagen eintreffen, aber der Bursche war alles andere als gesund. Sein Herz war vergrößert, seine Kranzgefäße waren ernsthaft verstopft, seine Leber war
zirrhotisch, und eine seiner Nieren war geschrumpft, während die andere eine Zyste hatte, die bald geplatzt wäre. Au ßerdem hatte er eine deutliche zerebrale Atrophie, wie man sie eher bei einem Achtzigjährigen als bei einem Fünfundsechzigjährigen
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