Schwere Wetter
dem Obergeschoss
herabkam. »Schön, dass du da bist.«
Er bekam einen
Kuss, bevor sie ins Wohnzimmer verschwand. Kurz darauf hörte er den Lärm des
Geräts. Prompt wurde im Obergeschoss die Musik lauter gedreht, die sogar den
Staubsauger übertönte.
Lüder hörte, wie
Jonas schrie und sich beklagte, dass er in seiner Fernsehsendung gestört wurde.
Dann erschien sein Sohn in der Tür, fluchte laut und wollte sich in die erste
Etage flüchten, als er Lüder sah, wie angewurzelt stehen blieb und sich sofort
wieder ins Wohnzimmer flüchten wollte.
»Jonas!« Lüders
Ruf war unüberhörbar und bestimmt. Auch Jonas schien das eingesehen zu haben.
Mit hängendem Kopf näherte er sich Lüder.
»Hi, Dad«, sagte
er so leise, dass Lüder es kaum verstehen konnte. Wenn sein Sohn ihn so
ansprach, hing ein Damoklesschwert über seinem Haupt.
»Was ist los?«
»Nichts.«
»Wenn du mich so
nennst, brennt die Hütte.«
Jonas versuchte
ein Grinsen. Es misslang. »Alles wieder gelöscht. War nur ein Schwelbrand.«
»Ich bin
Brandermittler. Also – raus mit der Sprache.«
»Du hast doch
schon alles vom Direx gehört«, druckste Jonas herum.
»Ich möchte es
aber von dir hören. Du weißt. Ein Geständnis verbessert immer die Position.«
»Na, ich dachte,
beim ersten Mal gibt es Bewährung.«
»Das hängt vom
Vergehen ab.«
»Scheiße, dass wir
nicht katholisch sind«, fluchte Joans. »Dann würde ich jetzt die absolute Dings
erhalten.«
»Du meinst: die
Absolution.«
»Von mir aus.«
»Wenn ich anfange,
langwierige Ermittlungen zu betreiben, Zeugen vernehmen und Verhöre im dritten
Grad durchführen muss, könnte sich das zu deinen Ungunsten auswirken. Also?«
»Na, das ist wegen
der Mathestunde. Da war ich nicht da. Aber wirklich nur die eine.«
»Und warum hast du
geschwänzt?«
»Wollte ich doch
nicht, aber Dorothee und Aishe haben doch …«
»Was?«
»Die haben auch
geschwänzt.«
»Wer sind die
beiden?«
»Aus Thorolfs
Klasse.«
Lüder überlegte.
Jonas war dreizehn Jahre alt, Thorolf drei Jahre älter.
»Was habt ihr
gemacht? Geraucht?« Lüder mochte sich nicht vorstellen, dass Jonas Drogen
probiert hatte.
»Nee. Was
anderes.«
»Zum Donnerwetter.
Lass dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.«
»Also … Doro hat …« Jonas wandte sich ab und murmelte etwas, was Lüder nicht verstand.
»Noch einmal. Klar
und deutlich.«
Jonas näherte sich
seinem Vater, senkte den Kopf und sah angestrengt auf seine Fußspitzen.
»Dorothee hat mir das Küssen beigebracht.«
Lüder war
sprachlos. Er musste sich beherrschen, um nicht laut loszulachen.
»Ist das wahr?«
Jonas nickte
betreten. »Hab ich doch noch nie gemacht, ich mein – so richtig. Du weißt schon.
Und Aishe auch nicht.«
»Und wie kommt
Dorothee dazu?«
»Ach.« Jonas
winkte ab.
»Komm, mein
Lieber. Das möchte ich jetzt wissen.«
»Die hat doch
schon mit Thorolf geknutscht. Und der hat gesagt, die kann von den Mädchen am
Humboldt am besten küssen. Na, da habe ich gedacht, zum Lernen ist die Beste
gut genug.«
»Und Dorothee hat
sich dazu bereit erklärt?«, fragte Lüder.
Jonas nickte. »Sie
hat ein gutes Herz. ›Dann leiste ich Entwicklungsarbeit‹, hat sie gesagt. Aber
sie hat ausdrücklich betont, dass sie keine Beziehung mit mir will.« Jonas
hatte mit ernster Miene gesprochen.
»Und?«, fragte
Lüder mit lauerndem Unterton.
»Ich bleibe lieber
bei Pizza und Cola«, erklärte Jonas.
Lüder gab ihm
einen sanften Knuff mit der geballten Faust auf den Oberarm. »So unter Männern.
Irgendwann änderst du deine Meinung.«
»Aber du isst doch
auch Pizza«, stellte Jonas fest.
»Nicht nur«, sagte
Lüder lachend.
Inzwischen war
Margit mit dem Staubsaugen fertig und stieß zu Lüder und Jonas. Mit einem
misstrauischen Blick, zu dem nur Mütter fähig sind, musterte sie »ihre Männer«.
»Habt ihr
überlegt, was es zum Abendbrot geben soll?«, fragte sie.
Die beiden lachten
schallend und antworteten wie aus einem Mund: »Pizza.«
VIER
Helge Thiel
gehörte zu den Beamten, die früh auf der Dienststelle erschienen. So wunderte
es Lüder nicht, dass er den Hauptkommissar an dessen Schreibtisch antraf, als
er ins Landeskriminalamt kam.
»Sie wollen sicher
wissen, ob wir etwas über die rätselhaften Ausfälle in Erfahrung bringen
konnten, die sich gestern in Plön und in Oldenburg ereignet haben. Um es
vorwegzunehmen: Es war nicht nur Plön betroffen, sondern alle Filialen der
Supermarktkette in der Probstei, in
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