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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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vermehrt sich die Anzahl meiner Probleme so rasend schnell wie die Kelly Family zu ihren besten Zeiten. Noch vor wenigen Wochen war ich eine Frau, die sich lediglich zwei Fragen beantworten musste: Soll ich kündigen und mich selbständig machen? Soll ich noch in diesem Jahr heiraten, und muss ich meine bescheuerte Familie wirklich dazu einladen?
    Aber mittlerweile ist alles unendlich viel komplizierter geworden. Nicht nur dass ich nicht weiß, ob ich überhaupt heiraten soll, es stellt sich nun auch die Frage, wie ich mich selbständig machen soll, wenn mein berühmtester Autor verschwunden bleibt. Oder eine lebenslange Schreibblockade hat wegen der Szene in seinem Ehebett. Oder künftig lieber experimentelle Lyrik verfassen will, weil er das Trauma einfach nicht verwinden kann.
    Erschwerend hinzu kommt, dass ich keine Ahnung habe, wie ich bis heute Abend um halb acht auch nur annähernd so aussehen soll, wie Theo Bertram mich in Erinnerung hat.
    Ich bin innerhalb kürzester Zeit von einer in sich ruhenden und rationalen Frau zu einem aufgescheuchten, gefühligen Hühnchen mutiert.
     
    «Regina, es ist was passiert.»
    «Och nee, und ich hatte mich so auf eine Hochzeit gefreut, bei der die Braut endlich mal nicht schwanger ist.»
    «Das ist es nicht. Ich habe Frank betrogen.»
    «Gratuliere. Willkommen im Club. Endlich wirst du erwachsen. Ist es dein schnuckeliger Autor? Ich wusste von Anfang an, dass es irgendwann zwischen euch funken wird.»
    «Es ist Theo Bertram.»
    «Das glaube ich nicht! Du hast mit Theo geschlafen?»
    «Geschlafen nicht. Aber die ganze Nacht telefoniert, und das sehr intim.»
    «Ich bitte dich, mit mir führst du doch auch dauernd intime Gespräche. Wahrscheinlich fühlst du dich sogar von Erdal besser verstanden als von deinem Freund. Es ist normal,dass man mit dem eigenen Partner keine aufregenden Gespräche mehr führt. Dafür hat man Freunde.»
    «Was ist denn noch alles normal? Für gute Gespräche hat man Freunde. Für guten Sex hat man Affären. Und für alles andere hat man Handwerker. Kannst du mir bitte einen vernünftigen Grund nennen, warum ich heiraten sollte?»
    «Du scheinst Conradis Buch nicht gelesen zu haben. Es gibt nur einen einzigen vernünftigen Grund zu heiraten: weil es vernünftig ist.»
    «Lass uns dieses Thema vertagen. Ich habe eine viel wichtigere Frage: Wie schaffe ich es heute Abend, keinesfalls auch nur annähernd so auszusehen, wie ich normalerweise aussehe?»
    «Gar kein Problem.»
     
    Ich muss mich sehr zusammennehmen, um nicht auf der Stelle vor Scham im Boden zu versinken. Ich habe mich immer gefragt, was für schmerzfreie Idiotinnen so etwas tun. Jetzt weiß ich es: Es sind Frauen, die in Not sind. So wie ich.
    Ich sitze an einem verkaufsoffenen Samstag in einem Edelkaufhaus in Berlin-Mitte und lasse mich von einer Mitarbeiterin der Chanel-Beauty-Abteilung sachgerecht schminken.
    Dazu muss ich natürlich zunächst völlig abgeschminkt werden. Und der Zustand «abgeschminkt» ist einer, den ich mir für besuchsfreie Wochenenden ohne jegliche Außenkontakte vorbehalte.
    Die Chanel-Fachkraft, eine üppige und resolute Endfünfzigerin, hat meine Haare mit Spangen aus der Stirn geklammert und mir einen grünen Plastikumhang um die Schultern gelegt, der meine unvornehme Blässe unvorteilhaft unterstreicht und um eine ungesunde Grün-Nuance erweitert.
    Als Frau Chanel dabei ist, mir eine belebende Lotion auf meine fahle, stellenweise etwas rotfleckige Epidermis aufzutragen, kann ich meinen eigenen Anblick nicht mehr ertragen und lasse den Blick über die unerfreulich vielen Menschen schweifen, die sich am späten Nachmittag durch die Galeries Lafayette schubsen.
    Ich sehe ihn sofort!
    Und ich frage mich, ob es sein kann, dass mich das Schicksal bereits für eine Untreue bestraft, die ich noch gar nicht begangen habe. Theo Bertram ist eindeutig auf dem Weg Richtung Chanel.
    «Bitte, tun Sie was! Der Mann dahinten, der aus dem Fernsehen, der darf mich hier auf keinen Fall sehen.»
    Frau Chanel legt mir ein großes Kosmetiktuch übers Gesicht. Ich halte den Atem an. Der kleinste Lufthauch könnte verhängnisvolle Folgen haben.
    «Darf ich Sie kurz stören?» Unverkennbar seine Stimme.
    «Ich hätte gerne aus der Herrenserie die regenerierende Lotion mit Lipoproteinen, das Anti-Shine-Balsam und die Total-Revitalizer-Creme.»
    «Sehr gern. Möchten Sie auch den neuen Skin Caviar für die Augenpartie?»
    «Nein danke, den hab ich schon.»
    «Das macht dann

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